Im Ohr sind Gleichgewichts- und Gehörorgan zum Organum vestibulocochleare zusammengefasst. Beide Organe gehen entwicklungsgeschichtlich aus einer Anlage
hervor.
Im einzelnen ist das Ohr zusammengesetzt aus:
- Dem äusseren Ohr, das Schall auffängt
- Dem Mittelohr, das Schallenergie vom Trommelfell über die Gehörknöchelchen zum Innenohr überträgt
- Dem Innenohr mit seinen beiden Anteilen,
- dem Gleichgewichtsorgan (Labyrinthus vestibularis), dem Rezeptororgan für den Gleichgewichtssinn,
- dem Hörorgan (Labyrinthus cochlearis, Cochlea, Schnecke), das die durch Schallwellen
hervorgerufenen Schwingungen in spezifische Nervenimpulse überführt, die über den N. cochlearis
das ZNS erreichen.
Äusseres Ohr
Zum äusseren Ohr gehören
- Die Ohrmuschel (Auricula)
- Der äussere Gehörgang (Meatus acusticus externus)
Ohrmuschel
Die Ohrmuschel hat eine charakteristische Form und besteht hauptsächlich aus einem Knorpelskelett, das allseitig von Haut bedeckt ist. Die Haut des posterioren Teils der Ohrmuschel enthält
Talgdrüsen und wenige Schweissdrüsen. Vorwiegend bei Tieren findet man auch quergestreifte Muskelzellen, um die Ohrmuschel zu bewegen.
Zu beiden Seiten der Ohrmuschel finden sich Haare
(Tragi), wobei auf der anterioren Seite keine Anhangsdrüsen vorkommen.
Das Ohrläpchen besteht zum grössten Teil aus Fettgewebe, ist stark vaskularisiert, jedoch nur sehr wenig sensoriell innerviert.
Äusserer Gehörgang
Der äussere Gehörgang erstreckt sich von der Ohrmuschel bis zum Trommelfell. Er gleicht einem abgeflachten Kanal mit festen Wänden. Das äussere Drittel wird von elastischem Knorpel
gestützt, der mit dem Knopelskelett der Ohrmuschel in Verbindung steht. Der Rest des Gehörganges verläuft im Os temporale. Der äussere Gehörgang wird von Haut mit zahlreichen
Haaren, Talgdrüsen und modifizierten Schweissdrüsen, den Ohrschmalzdrüsen (Glandulae ceruminosae) ausgekleidet. Die Glandulae ceruminosae sind gewundene tubulöse apokrine Drüsen,
die eine bräunliche, halbfeste Fettsubstanz absondern, das Zerumen (Ohrschmalz). Haare und Ohrschmalz haben wahrscheinlich Schutzfunktion. Trommelfell
Der äussere Gehörgang endet an einer querstehenden ovalen Membran, dem Trommelfell (Membrana tympani). Dieses ist aussen von einer dünnen Epidermis (mehrschichtiges, wenig verhorntes
Plattenepithel) und an seiner inneren Oberfläche von einfachem isoprismatischem Epithel bedeckt.
Dazwischen befindet sich eine kräftige Bindegewebeschicht aus kollagenen und elastischen
Fasern verschiedener Verlaufsrichtung. Man unterscheidet eine Pars flaccida, eine dünnere Stelle im Trommelfell mit weniger fibrillärem Bindegewebe, dafür aber mit mehr lockerem Bindegewebe,
und eine Pars tensa mit vielen kollagenen Fasern. Das Trommelfell überträgt Schallenergie auf die Gehörknöchelchen des Mittelohr.
Normalerweise schützen ein paar wenige Muskelfasern das Trommelfell vor zu starken Vibrationen. Bei grossem Schallpegel (z.B. bei Explosionen) ist dieser Schutzmechanismus aber nicht ausreichnend,
weshalb es leicht zu einem Riss im Trommelfell kommen kann.
Mittelohr
Das Mittelohr liegt im Innern des Os temporale. Es handelt sich um eine unregelmässige Höhle, die zwischen dem Trommelfell einerseits und dem Innenohr andererseits liegt. Nach vorn steht
das Mittelohr mit dem Pharynx durch die Tuba auditiva und nach hinten mit den luftgefüllten Räumen des Processus mastoideus des Os temporale in Verbindung.
Hinweis: Die Wände der Tuba auditiva sind im allgemeinen kollabiert, öffnen sich aber beim Schlucken (elastischer Knorpel, geht gegen den Pharynx in hyalinen Knorpel über); dadurch
kommt es zum Luftdruckausgleich zwischen Mittelohr und Atmosphäre (Flugzeug!).
In der medialen Knochenwand befinden sich 2 durch Membranen verschlossene Oeffnungen, das ovale und das runde Fenster, die das Mittelohr mit dem Innenohr verknüpfen.
Das Mittelohr beinhaltet 3 kleine Knochen, die Gehörknöchelchen: Malleus (Hammer), Incus (Amboss) und Stapes (Steigbügel), die die Membrana tympani mit dem ovalen Fenster verbinden.
Sie übertragen mechanische Schwingungen, die an der Membrana tympani entstehen, zum Innenohr. Der Malleus ist an der Membrana tympani befestigt, der Stapes an der Membran des ovalen Fensters.
Die Gehörknöchelchen sind durch Gelenke miteinander verbunden.
Ausserdem kommen im Mittelohr 2 kleine Muskeln vor, die am Malleus (M. tensor tympani) bzw. Stapes (M. stapedius) ansetzen. Beide Muskeln erfüllen Aufgaben bei der Uebertragung der Schallenergie.
Das Mittelohr wird von einem einschichtigen isoprismatischen Plattenepithel ausgekleidet, das auch die Gehörknöchelchen bedeckt ( + Mucosa). An und in der Tuba auditiva geht das einschichtige
Epithel des Mittelohrs in mehrreihiges hochprismatisches Flimmerepithel mit Becherzellen über (respiratorisches Epithel).
Bei einer Entzündung des Mittelohres durch Bakterien oder durch eine Verstopfung der Tuba auditiva sprechen wir von einer Otitis media. Im Bereich der Tuba auditiva haben wir eine Tonsilla
tubaria. Darunter verstehen wir Lymphfollikel, die den Eingang in die Tuba auditiva umgeben und ein Eindringen von toxischen Substanzen ins Mittelohr verhindern.
Innenohr
Auch das Innenohr, Labyrinth genannt, befindet sich im Os temporale, ganauer in der Pars petrosa (Felsenbein) des Os temporale. Zu unterscheiden sind:
- Das knöcherne Labyrinth
- Das häutige Labyrinth
- Der perilymphatische Spalt
Knöchernes Labyrinth
Das knöcherne Labyrinth ist der Raum, in dem die von Membranen umschlossenen Säckchen und Kanälchen des häutigen Labyrinths untergebracht sind. Zum knöchernen Labyrinth gehören
das Vestibulum, in das auf der einen Seite die Canales semicirculares (knöcherne Bogengänge) und auf der anderen Seite die Cochlea (Schnecke) einmünden. Hinzu kommen der Aquaeductus
vestibuli (Verbindung zum Subduralraum) und der Aquaeductus cochleae (Verbindung zum Subarachnoidalraum). Das knöcherne Labyrinth ist mit Endost ausgekleidet.
Häutiges Labyrinth
Das häutige Labyrinth setzt sich aus verschiedenen miteinander verbundenen Säcken und Kanälchen zusammen. Zum häutigen Labyrinth gehören
Sacculus und Utriculus, die beide im Vestibulum des knöchernen Labyrinths untergebracht sind. Sacculus und Utriculus stehen durch den kurzen Ductus utriculosaccularis in Verbindung, dessen beide
Abschnitte Ductus saccularis und Ductus utricularis im Sinus ductus endolymphaticus zusammentreffen. Die Fortsetzung ist der Ductus endolymphaticus, der im Aquaeductus vestibuli liegt und mit einer
Erweiterung, dem Saccus endolymphaticus, blind endet.
Die Ductus semicirculares oder häutige Bogengänge stehen mit dem Utriculus in Verbindung. Jeder Bogengang hat kurz vor seiner Einmündungsstelle in den Utriculus eine Erweiterung, die
Ampulle.
Ductus cochlearis, der durch den Ductus reuniens mit dem Sacculus in Verbindung steht. Das häutige Labyrinth besteht aus einem einfachen Plattenepithel mit einer Lamina propria. Nur an ein paar wenigen Orten bestehen Kontaktstellen zum Endost. Die Säcke und Kanälchen
des häutigen Labyrinths enthalten Endolymphe.
Perilymphatischer Spalt
Der perilymphatische Spalt befindet sich zwischen knöchernem und häutigem Labyrinth. Im Bereich der Bogengänge und des Utriculus sind häutiges und knöchernes Labyrinth teilweise
durch dünne Bindegewebezüge verbunden.
Der perilymphatische Spalt ist eine Fortsetzung des Subarachnoidalraums der Meningen. Er enthält Perilymphe, die dieselbe Zusammensetzung hat wie der Liquor cerebrospinalis. Im Bereich der Ductus
semicirculares kann die Perilymphe nicht frei zirkulieren. Sie wird durch kollagene Fasern und Fibrozyten daran gehindert. Im Bereich der Cochlea existiert dieses Maschenwerk dagegen nicht, weshalb
die Perilymphe frei zirkulieren kann – wichtig für die Sinneswahrnehmung der Schallwellen!
Histophysiologischer Hinweis: Zwischen Perilymphe und Endolymphe bestehen charakteristische Unterschiede. Perilymphe hat eine hohe Natriumionen- und eine niedrige Kaliumionenkonzentration (wie extrazelluläre
Flüssigkeit). Die Endolymphe dagegen erinnert mit ihrer hohen Kaliumionen- und niedrigen Natriumionenkonzentration an die intrazelluläre Flüssigkeit.
Gleichgewichtsorgan
Die Rezeptorenfelder der Gleichgewichtsorgane sind in den Wänden von Sacculus, Utriculus und den Ampullen der häutigen Bogengänge untergebracht. Die Sinneszellen liegen auf einer
Verdickung des Endosts.
Hinweis: Die übrigen Anteile von Sacculus, Utriculus und häutigen Bogengängen sowie der Ductus endolymphaticus haben einen relativ einheitlichen Bau. Die dem perilymphatischen Spalt
zugewandte Oberfläche besteht aus einer dünnen bindegewebigen Membrana propria, die innere, zum endolymphatischen Raum gewandte Seite aus einschichtigem Plattenepithel.
Zu unterscheiden sind folgende Sinnesfelder:
Maculae staticae, plaqueartige Gebiete im Sacculus und Utriculus,
Cristae ampullares in den Ampullen der Bogengänge.
Maculae staticae
Die Maculae staticae befinden sich im Sacculus und Utriculus. Räumlich gesehen stehen sie annähernd senkrecht zueinander. Bei vertikaler Kopfposition liegt die Macula utriculi waagrecht
und die Macula sacculi steht senkrecht.
Die Maculae bestehen aus 2 Zellarten und einer spezifischen Membran:
Rezeptorzellen
Stützzellen sowie eine bedeckende
Otolithenmembran
Rezeptorzellen
Rezeptorzellen werden auch als Haarzellen bezeichnet. Zu unterscheiden sind ein Sinneszelltyp I und ein Sinneszelltyp II. Beide weisen an ihrer Oberfläche randständig 1 typisches Kinozilium
mit dazugehörigem Basalkörperchen und 60-80 Stereozilien auf. Die Stereozilien sind unterschiedlich lang und charakteristisch angeordnet. Die längsten (Länge 100 (m) sind dem
Kinozilium benachbart, die kürzesten (Länge 1 (m) befinden sich an der entgegengesetzten Seite der Zelloberfläche. Die Anordnung ist orgelpfeifenartig.
Histophysiologischer Hinweis: Für die Funktion der Sinnesepithelzellen ist die Bewegung der Zellfortsätze ausschlaggebend. Diese erfolgt passiv – auch beim Kinozilium. Ausschlaggebend
ist die Bewegungsrichtung der Stereozilien. Abbiegen in Richtung Kinozilium führt zu Membrandepolarisation der sekundären Sinneszelle und Steigerung der Aktionspotentialfrequenz in der
zugehörigen afferenten Nervenfaser. Abbiegen vom Kinozilium weg führt zu Hyperpolarisation der Rezeptormembran und verminderter afferenter Aktivität.
Unterschiede zwischen den beiden Sinneszelltypen (Form und Innervation)
Sinneszelltyp I ist flaschenförmig. Er hat einen bauchigen Zellkörper und einen verengten Hals. Die Innervation erfolgt durch afferente Nervenfasern aus dem N. vestibularis. Die Nervenfasern
verzweigen sich an ihrem Ende, so dass jeweils mehrere Sinneszellen von derselben Nervenfaser erreicht werden. Die Nervenfaserenden bilden jeweils um die Sinneszelle einen Kelch. Den kelchförmigen
Faserenden legen sich aussen Axone efferenter, wahrscheinlich hemmend wirkender Nervenzellen des N. vestibularis lateralis an.
Sinneszelltyp II ist schlank und zylindrisch. Er bildet Synapsen sowohl mit afferenten als auch mit efferenten Neuriten.
Stützzellen
Die Stützzellen, die zwischen den Rezeptorzellen liegen, sind hochprismatisch und haben eine unregelmässige Form.
Otolithenmembran
Bedeckt werden die Maculae staticae von einer dicken gelatinösen Glykoproteinschicht, die wahrscheinlich von den Stützzellen abgesondert wird. In die Schicht ragen die Fortsätze der
Sinneszellen hinein, und diese werden bewegt, wenn sich die Glykoproteinschicht verschiebt. Vor allem oberflächlich sind in diese Schicht Kristalle eingelagert, die hauptsächlich aus Kalziumkarbonat
bestehen und als Statolithen oder Otolithen bezeichnet werden. Histophysiologischer Hinweis: Das spezifische Gewicht der Statolithen ist im Vergleich zur Endolymphe hoch. Dies hat Bedeutung für die Verschiebung der Otolithenmembran, z.B. bei Linearbeschleunigung
oder bei der Aenderung der Kopflage.
Cristae ampullares
Die Cristae ampullares befinden sich in den Ampullen der Bogengänge. Es handelt sich um ovale, quer zur Längsachse der Bogengänge stehende leistenartige Verdickungen der Lamina propria.
Sie ragen kammartig vor.
Der Aufbau der Cristae ampullares entspricht dem der Macullae, jedoch ist ihre Glykoproteinschicht dicker, hat konische Form – deswegen als Cupula bezeichnet – und hat keine Otolithen.
Die Cupula erreicht die gegenüberliegende Wand der Ampulle.
Die Cupula hat das gleiche spezifische Gewicht wie die Endolymphe. Deswegen sind Linearbeschleunigungen hier nicht wirksam, wohl aber Drehbeschleunigungen.
Cristae ampullares
Nimmt bei einer Drehung die Geschwindigkeit zu oder ab (Winkelbeschleunigung bzw. –abbremsung), kommt es infolge der Trägheit der Endolymphe zu einer Flüssigkeitsbewegung in den Bogengängen.
Diese Flüssigkeitsbewegung führt zu einer Seitwärtsbewegung der gallertigen Cupulae ampullares der Cristae ampullares und damit zu einer Verbiegung der Sinneshaare. Dies ist der adäquate
Reiz für die Rezeptoren.
Infolge der spiegelbildlichen Anordnung in beiden Ohren bewirkt eine Rotations-beschleunigung eine Asymmetrie der Impulsaussendung mit einer Impulssteigerung auf der einen, und einer –abnahme
auf der anderen Seite.
Hört die Beschleunigung auf oder kommt es zu einer gleichförmigen Bewegung, kehrt die Cupula in ihre Ausgangslage zurück, und die Erregungsaussendung aus diesen Rezeptorfeldern wird
wieder symmetrisch. Dadurch, dass auf jeder Körperseite die 3 Bogengänge in den 3 Hauptachsen des Raumes liegen, kann ermittelt werden, in welcher Richtung eine Drehbeschleunigung auf den
Körper wirkt.
Maculae staticae
Anders verhalten sich die Maculae staticae in Sacculus und Utriculus. Sie dienen der Wahrnehmung einer Linearbeschleunigung. Wird der Kopf geneigt, verschiebt sich die Otolithenmembran durch ihre
gegenüber der Endolymphe grössere Dichte (der Schwerkraft folgend), so dass die Zilien abgebogen werden. Ausser gegenüber der Erdbeschleunigung sind die Maculae staticae auch gegenüber
anderen Linearbeschleunigungen (z.B. beim Anfahren im Lift oder Auto) empfindlich. Insgesamt führen die Erregungen des Gleichgewichtsorgans zu einer bewussten Wahrnehmung der Stellung des Körpers im Raum sowie von Bewegungen. Ausserdem tragen sie zur Aufrechterhaltung
des Gleichgewichts bei.
Hörorgan
Das Hörorgan besteht aus der Schnecke (Cochlea), die als häutigen Anteil den Ductus cochlearis enthält. Im Ductus cochlearis befindet sich der Rezeptor für akustische Signale,
das Corti-Organ.
Cochlea (Schnecke)
Die Cochlea ist ein spiralförmig verlaufender Knochenkanal, der etwa 35 mm lang ist. Beim Menschen weist die Schneck 2,5 Windungen um eine konusförmige Längsachse aus spongiösem
Knochen, den Modiolus, auf. Der Modiolus enthält feine Kanäle für Nervenfasern und Gefässe sowie das Ganglion spirale. Seitlich befestigt sich am Modiolus ein dünner Knochenkamm,
die Lamina spiralis ossea, die wie eine Wendel (spiralförmig) um den Modiolus verläuft. Ausgekleidet ist die Cochlea mit einem platten endothelartigen Epithel, ausserdem enthält sie
als Anteil des häutigen Labyrinths den Ductus cochlearis. Dadurch sind die folgenden 3 Räume in der Schnecke zu unterscheiden:
Die Scala vestibuli (in entsprechend orientierten Schnitten oben),
Der Ductus cochlearis ( in der Mitte),
Die Scala tympani (unten).
Scala vestibuli und Scala tympani
Die Scala vestibuli öffnet sich auf der einen Seite ins Vestibulum. Auf der anderen Seite, d.h. an der Schneckenspitze, steht sie durch ein kleines Loch, Helicotrema, mit der Scala tympani in
Verbindung. Gemeinsam enthalten Scala tympani und Scala vestibuli Perilymphe.
Histophysiologischer Hinweis: Bewegungen der Perilymphe sind für den Hörvorgang ausschlaggebend. Sie entstehen durch Druckwellen, die vom Trommelfell über die Kette der Gehörknöchelchen
mittels der im ovalen Fenster befestigten Steigbügelplatte auf die Perilymphe der Scala vestibuli übertragen werden. Der Druckausgleich erfolgt über die Scala tympani, die durch das
runde Fenster abgeschlossen wird.
Ductus cochlearis
Der Ductus cochlearis steht auf der einen Seite durch den Ductus reuniens mit dem Sacculus in Verbindung, auf der anderen Seite endet er blind. Er enthält Endolymphe.
Der Querschnitt durch den Ductus cochlearis hat dreieckige Form. Der kleinste Winkel ist zum Modiolus gerichtet und befindet sich an der Lamina spiralis ossea. Die Begrenzung des Dreiecks (und damit
die des Ductus cochlearis) erfolgt
Unten durch die Lamina basilaris (Basilarmembran),
Oben durch die Vestibular-(Reissner-)Membran,
Lateral durch die Stria vascularis (Oberfläche des Lig. Sprirale). Die Basilarmembran ist die Fortsetzung der Lamina spiralis ossea und zieht nach lateral bis zum Ligamentum spirale, das mit der lateralen Wand des knöchernen Labyrinths verbunden ist (Verdickung
des Endosts). Die Basilarmembran trägt das Corti-Organ, den funktionell wichtigsten Bestandteil der Cochlea.
Die Membrana vestibuli (Reissner-Membran) besteht aus einer sehr dünnen Bindegewebe-schicht, die zum Ductus cochlearis hin von einschichtigem Plattenepithel, zur Scala vestibuli hin von Mesothel
bedeckt ist.
Die Stria vascularis hat ein mehrschichtiges prismatisches Epithel mit 2 bzw. 3 Zelltypen. Die Stria vascularis hat eines der wenigen Epithelien mit Blutgefässen. Offenbar ist dieses Epithel
an der Sekretion und Erhaltung der besonderen Ionenzusammensetzung der Endolymphe (viel Kalium-, wenig Natriumionen), beteiligt.
Organum spirale, Corti-Organ
Das Corti-Organ ist der Rezeptor für Schallwellen. Erregt wird es durch Ablenkung der Zilien seiner Rezeptorzellen.
Das Corti-Organ liegt wie ein Wulst auf der Basilarmembran. Entsprechend dem gewundenen Verlauf der Basilarmembran um den Modiolus bildet auch das Corti-Organ eine lange Spirale.
Die wesentlichen Bestandteile des Corti-Organs sind die Stützzellen und die Sinneszellen. Zwischen Stütz- und Sinneszellen befinden sich 3 Kanäle, die mit Corti-Lymphe gefüllt
sind (die Zusammensetzung der Corti-Lymphe entspricht etwa der der Perilymphe):
Cuniculus internus (innerer Tunnel, Corti-Kanal),
Cuniculus medius (mittlerer Tunnel, Nuël-Raum),
Cuniculus externus (äusserer Tunnel).
Ueberdeckt wird das Corti-Organ durch die Membrana tectoria. Durch die Verknüpfung der apikalen Abschnitte der Zellen des Corti-Organs (Zonulae occludentes, Zonulae adhaerentes und Desmosomen)
entsteht ein Bereich, der als Membrana reticularis bezeichnet wird und lediglich von den Stereozilien der Sinneszellen des Corti-Organs überragt wird.
Wichtig ist ferner, dass die Schwingungen der Basilarmembran, die unter dem Einfluss der schallbedingten Druckwellen durch die Perilymphe zustande kommen, stets das Corti-Organ als Ganzes bewegen.
Für die Stabilität des Corti-Organs sorgen Stützzellen, die ein ausgeprägtes Zytoskelett besitzen. Abgeschert werden durch die Bewegung des Corti-Organs gegenüber der Membrana
tectoria die für die Erregung wichtigen Stereozilien der Sinneszellen.
Stützzellen und Cuniculi
Zu unterscheiden sind in der Reihenfolge des Vorkommens von medial (modioluswärts) nach lateral (in Richtung auf das Ligamentum spirale)
- Innere Grenzzellen
- Innere Phalangenzellen
- Innere Pfeilerzellen
- Äussere Pfeilerzellen
- Äussere Phalangenzellen
- Äussere Grenzzellen (Hensen-Zellen)
- Äussere Stützzellen (Claudius-Zellen)
- Innere Grenzzellen folgen den Epithelzelles des Sulcus spiralis internus und begrenzen das Corti-Organ modioluswärts.
- Innere Phalangenzellen sind Zellen ohne deutlich ausgeprägtes Zytoskelett.
Sie tragen Sinneszellen (innere Haarzellen) und umfassen diese kelchförmig.
- Innere und äussere Pfeilerzellen sind schlank, durch ein stark entwickeltes Zytoskelett sehr starr und mit ihren
apikalen Abschnitten gegeneinander geneigt. Dadurch bilden sie den sogenannten inneren Stützbogen. Ausserdem fassen sie einen dreieckigen, als inneren Tunnel (Cuniculus internus, Corti-Kanal)
bezeichneten, feinen Kanal zwischen sich.
- Äussere Phalangenzellen bestehen aus einem fingerförmigen Fortsatz (Phalangenfortsatz). Apikal tragen sie Sinneszellen (äussere Haarzellen).
Zwischen den äusseren Pfeilerzellen einerseits
und der äusseren Phalangenzellen mit ihren äusseren
- Haarzellen andererseits befindet sich als erweiterter Raum der Nuël-Raum (Cuniculus medius). Die äusseren Phalangenzellen
sind zytoskelettreich und bilden den äusseren Stützbogen des Corti-Organs.
- Äussere Grenzzellen (Hensen-Zellen) bilden die laterale Begrenzung des Corti-Organs. Apikal befindet
sich zwischen den äusseren Grenzzellen und den äusseren Phalangen als erweiterter Kanal
der äussere Tunnel (Cuniculus lateralis).
- Äussere Stützzellen (Claudius-Zellen) folgen den äusseren Grenzzellen nach lateral und bilden den Boden des Sulcus spiralis externus.
Sie setzen sich ins Epithel der Stria vascularis fort.
Sinneszellen
Zu unterscheiden sind innere und äussere Haarzellen.
Gemeinsam ist ihnen, dass sie keine direkte Verbindung mit der Basilarmembran haben, sondern in Verbreiterungen des oberen Teils der Phalangenzellen ruhen. An ihrer Oberfläche haben die Haarzellen
50-120 Stereozilien, die jeweils zur lateralen Zellseite hin grösser werden. Kinozilien fehlen an der Oberfläche der Haarzellen. Unterschiede: Innere Haarzellen werden von den inneren Phalangenzellen getragen und von diesen weitgehend umfasst. Ihrer Form nach sind die inneren Haarzellen flaschenförmig und stehen direkt
nur mir afferent leitenden Neuronen in Verbindung (Synapsen auf ganzer Zelloberfläche verteilt). Efferente Fasern treten teils an afferente Boutons, teils an afferente Fasern heran. Die 50-60
Stereozilien sind in Reihen angeordnet. Bis zu einem gewissen Grade ähneln die inneren Haarzellen den Typ I-Zellen der Maculae staticae und Cristae.
Äussere Haarzellen befinden sich zwischen den äusseren Phalangenzellen und sind zylindrisch schlank. Sie bilden sowohl mit afferenten als auch mit efferenten Neuronen Synapsen (alle basal gelegen).
Die 60-120 Stereozilien an der Oberfläche sind V- bzw. W-förmig angeordnet.
Weitere Unterschiede zwischen inneren und äusseren Haarzellen betreffen ihre Zahl und Anordnung. Die 3'500 inneren Haarzellen pro Ohr stehen in einer Reihe – von ihnen kommen 95% der cochlearen
Afferenzen -, die etwa 12'000 äusseren Haarzellen pro Ohr stehen in 3 Reihen – von ihnen kommen jedoch nur 5% aller cochlearen Afferenzen.
Was die Innervation der Sinneszellen angeht, werden die inneren Haarzellen im wesentlichen von afferenten Neuriten grosser Bipolarzellen aus dem Ganglion spirale nach dem Divergenzprinzip innerviert
(jede innere Haarzelle wird von etwa 20 Nervenfasern erreicht – schwache Sensibilität, aber grosse Spezifität). Anders verhält sich die Innervation der äusseren Haarzellen.
Sie werden nach dem Konvergenzprinzip (ein Nerv erhält Nervenfasern von verschiedenen Sinneszellen – grosse Sensibilität, aber kleine Spezifität) innerviert.
Ganglion spirale cochleae
Das Ganglion spirale cochleae liegt im Modiolus. Die Fasern, die zu den Haarzellen ziehen, durchbrechen die Basilarmembran, und diejenigen, die zu den äusseren Haarzellen gelangen, ziehen frei
durch den inneren Tunnel und Nuël-Raum bis zur Basis der Sinneszellen. Membrana tectoria
Sie bedeckt als einseitig befestigte Platte das Corti-Organ. Die Lamina tectoria geht vom Rand einer verdickten, von Epithel bedeckten Bindegewebeanlage (Limbus laminae spiralis) auf der Lamina
spiralis ossea aus. Dort finden sich Interdentalzellen, die vermutlich das Material für die Membrana tectoria abscheiden. Die Membrana tectoria selbst besteht aus einer gallertartigen Matrix. Funktionell
ist wichtig, dass die Lamina tectoria mit den längsten Zilien der Haarzellen in unmittelbarer Verbindung steht, nicht jedoch mit den kürzeren. Da aber die Zilien der Haarzellen untereinander
durch Mukosubstanzen verbunden sind, erfolgt die Ablenkung aller Zilien stets gemeinsam. Histophysiologischer Hinweis: Werden die Stereozilien nach lateral (in Richtung auf das Ligamentum spirale) abgebogen, werden die Haarzellen erregt, werden sie nach medial (modioluswärts) abgebogen,
gehemmt.
Histophysiologie des Hörens
Ankommende Schallwellen setzen das Trommelfell in Schwingungen. Die Schwingungen werden durch die Gehörknöchelchen auf die Stapesplatte im ovalen Fenster und von hier auf die Perilymphe
im Innenohr übertragen. Dabei bewirken v.a. die unterschiedliche Länge der Hebelarme in der Gehörknöchelchenkette und das Verhältnis der Flächengrössen von Trommelfell
zu Fenestra vestibuli (etwa 17:1) eine Verminderung der reflexionsbedingten Energieverluste beim Uebergang von Luft zum schallhärteren Medium Perilymphe.
Eine Kontraktion der Mittelohrmuskeln (M. tensor tympani mit Ansatz am Steigbügelkopf) dämpft die Schwingungen der Gehörknöchelchen und schwächt damit die Uebertragung des
Schalls. Auch der M. stapedius kontrahiert sich bei von aussen kommenden Geräuschen, allerdings erst, wenn der Schalldruckpegel eine Schwelle überschreitet. Der Reflex kann nicht vor einem
Knall schützen, denn es dauert etwa 100-200 ms, bis sich der M. stapedius voll kontrahiert hat.
Durch die Schwingungen der Steigbügelplatte entsteht in der Perilymphe Druckwellen, die die Scala vestibuli hinaufgeleitet werden und den Endolymphschlauch des Ductus cochlearis zur Auslenkung
in Form von Wanderwellen bringen. Die Basilarmembran, auf der das Corti-Organ liegt, ist nicht straff gespannt, sondern wird zum Helicotrema hin lockerer. Die Amplituden nehmen so gegen das Helicotrema
zunächst zu, bevor sie aufgrund von Dämpfung vereben, und zwar im allgemeinen noch vor dem Helicotrema. Das Amplitudenmaximum liegt für hohe Frequenzen in der Nähe der Schneckenbasis,
für niedrige in der Nähe der Spitze.
Der adäquate Reiz für die Haarzellen des Corti-Organs ist die Verbiegung ihrer Stereozilien (Sinneshaare), die dadurch zustande kommt, dass sie mit der Membrana tectoria verbunden sind,
und diese gegenüber der Basilarmembran eine Relativbewegung durchmacht. Die Abscherung der Zilien löst schliesslich durch einen Transduktionsprozess Aktionspotentiale im N. cochlearis aus.
Schliesslich werden die Schwingungen der Perilymphe der Scala vestibuli auf die Scala tympani übertragen und führen zur Ausbauchung des runden Fensters. Wichtig ist, dass ankommende Schallwellen
ovales und rundes Fenster nicht phasengleich erreichen (Schallschutz des runden Fensters da keine Gehörknöchelchen!). |