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Konzepte und Arbeitsweisen der Ethologie

Verhalten von Mensch und TierDefinition: Die Verhaltensbiologie (=Ethologie) erforscht tierisches und menschliches Verhalten aus der Sicht der Biologie mit biologischen Methoden.

Wichtige Vertreter: Tinbergen, Konrad Lorenz

Verhalten wird von der Verhaltensbiologie als Anpassungsleistung des intakten Organismus an seine natürliche Umwelt verstanden und bezeichnet alle nach außen erkennbaren Äußerungen eines Tieres (Bewegung/Geruchssignale/akustische Signal). Die Verhaltensbiologie interessiert sich dafür, welche Faktoren ein Tier handeln lassen, nicht aber für das Ziel und den Erfolg des Handelns.

Verhaltensbiologie untersucht:

  • Faktoren, die das Verhaltens auslösen
  • Wie wird das Verhalten gesteuert

Biologische Bedeutung des Verhaltens, d.h. der Selektionsvorteil, der sich daraus ergibt

  • exogener Reiz: Veränderung durch die Umwelt
  • endogener Reiz: Veränderung durch innere Faktoren (Hunger, Angst, Hormone)

In Ethogrammen werden verschiedene Verhaltensweisen aufgelistet und beschrieben, die bei einer Tierart unter natürlichen Lebensbedingungen vorkommen.

Ethogramme kann man in Funktionskreise unterteilen (z..B. Ruhe und Schlaf, Nahrungserwerb, Aggression, Balz).

Es gibt monomodale, polymodale und universelle Funktionskreise.

Lorenz geht vom psychohydraulischen Modell aus (ständige Bereitschaft zum Verhalten, braucht nur auslösenden Außenreiz), Skinner hingegen davon, dass eine innere Bereitschaft erst durch einen Außenreiz entsteht.

Lebewesen sind offene Systeme und stehen in einem ständigen Informationsaustausch mit der Umwelt. Die von einem Reiz ausgelöste Verhaltensweise kann sowohl auf die Reizsituation zurückwirken als auch auf das handelnde Individuum.

Verhalten besteht aus sog. Verhaltensketten, deren Elemente und Reihenfolge variabel sind.

Elemente der Verhaltenssteuerung:

  • Lokalisation des Reizes
  • Identifizieren des Reizes (angeboren oder erlernt)
  • Entscheidungsfindung (abhängig von der Motivation)
  • motorisches Programm (Flucht, Angriff, Fressen)
  • selbstbezogene Funktionalität (Verhalten hat immer eine Funktion für das Individuum)

Teilgebiete der Verhaltensbiologie (=Ethologie)

  • Verhaltensökologie befaßt sich mit den ultimaten Faktoren, d.h. mit der Untersuchung der Funktion von Verhaltensweisen auf die Fitness des Individuums
  • Verhaltensontogenie untersucht die Reifung von Verhaltensmustern
  • Verhaltensphylogenie Vergleich von Arten
  • Verhaltensgenetik untersucht ob Verhaltensweisen angeboren oder erlernt sind und deren Vererbung
  • Verhaltensphysiologie sucht nach den proximaten (unmittelbar auslösenden) Ursachen von Verhaltensweisen
  • Neuroethologie (exogen)
  • Ethoendokrinologie (endogen)

Elemente des Verhaltens

Das Verhalten wird von proximaten (Bezug zum Auslöser) und ultimaten (Bezug zur Funktion) Faktoren beeinflußt.

Auslösemechanismen

Von angeborenen Auslösemechanismen spricht man, wenn ein Tier unabhängig von Erfahrung auf einen Reiz biologisch sinnvoll reagiert.

Bsp.: Junge Barsche schwimmen, auch wenn getrennt von der Mutter aufgewachsen, bei Gefahr in eine Kugelattrappe mit Loch.

Durch Erfahrung modifizierte angeborene Auslösemechanismen sind durch die Erfahrung verändert.

Bsp.: Graugansküken folgt allen bewegten Objekten, später nur noch dem, auf das es geprägt wurde.

Erlernte Auslösemechanismen. Durch Erfahrung können ganz neue Reiz-Reaktionsverknüpfungen erfolgen.

Bsp.: Möwen werden häufig aus einem geöffneten Fenster heraus gefüttert. Wegen dieser Erfahrung fliegen sie zu geöffneten Fenstern.

Je mehr Auslösereize vorhanden sind, um so stärker wird die Reaktion ausgelöst. (Reizsummenphänomen). In Attrappenversuchen werden die Bestandteile vom Gesamtkomplex untersucht.

Bsp.: Gelber Schnabelfleck bei Möwen, untersucht wird der Einfluss der Form, der Platzierung des Flecks und des Farbkontrasts.

Supernormale Auslöser lösen das Verhalten stärker aus als der natürliche Auslöser.

Bsp.: Übergroße Eier werden von Austernfischern eher in das Nest eingerollt als natürliche Eier.

Die Entwicklung supernormaler Reizobjekte wird dadurch verhindert, dass sie aus anderen Gründen für das Überleben von Nachteil sind. (Bsp.: Übergroßes Ei lockt mehr Fressfeinde an).

Hemmende Reize verhindern z.B., dass das Männchen bei der Paarung von Spinnen gefressen wird.

Reflexe

Reflexe sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch Außenreize ausgelöst werden und auf den gleichen Reiz hin in immer derselben Weise ablaufen. Sie laufen nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ ab, d.h. sie werden entweder in voller Höhe oder gar nicht ausgelöst. Durch Reflexe wird die begrenzte Verarbeitungskapazität des Gehirns entlastet. (z.B. Aufrechthalten des Körpers)

Die beteiligten neuroanatomischen Bahnen bezeichnet man als Reflexbogen. Ein monosynaptischer Reflexbogen besteht aus einem afferenten und einem efferenten Neuron. Es ist nur eine Synapse beteiligt.

Reflexe laufen schnell und unbewusst ab, es kommt nicht zu Ermüdung.

Bsp.: Kniesehnenreflex: Durch die Dehnung des Muskels werden die Muskelspindel gereizt. Dieser Reiz wird über ein afferentes Neuron weitergeleitet und im Rückenmark auf ein efferentes Neuron umgeschaltet.

Bei Polysynaptische Reflexbögen ist noch mindestens ein Interneuron zwischen die afferente und die efferente Faser geschaltet.

Man unterscheidet:

1. Eigenreflexe , Rezeptor und Erfolgsorgan liegen hierbei in dem selben Organ (Kniesehnenreflex)

2. Fremdreflexe sind immer polysynaptisch, Reiz und Reaktion erfolgen in unterschiedlichen Organen (Hustenreflex, Niesreflex). Am Ablauf sind sog. Interneurone beteiligt.

Bei Fremdreflexen kann es durch Interneurone zur Reizsummation kommen. In einem solchen Neuron werden mehrere eingehende Reize verrechnet. Dadurch wird eine Anpassung der Reaktionsstärke an die Reizstärke möglich.

Bedingte Reflexe werden erlernt (Bremsen wenn ein Kind auf die Straße läuft, heiße Herdplatte)

Unbedingte Reflexe sind angeboren und müssen nicht erlernt werden.

Reflexe sind überall dort von Bedeutung, wo bestimmte Reize schnell in immer der gleichen Weise beantwortet werden müssen. Sie sind häufig an komplexen Reaktionen beteiligt und sorgen beispielsweise für die aufrechte Körperhaltung, sind an Bewegungsabläufen beteiligt, schützen den Organismus vor Schäden und entlasten das Gehirn.

Erbkoordination

Erbkoordinationen sind, im Gegensatz zu Reflexen, von der Motivation des Individuums abhängig. Ihr Ablauf ist genetisch vorprogrammiert, d.h. sie sind bei jedem einzelnen Individuum einer Art in immer der gleichen Weise auslösbar und sind bezüglich der Umweltbedingung stabil (nicht durch Lernen beeinflussbar). Ausgelöst werden sie durch Schlüsselreize und laufen nach der Auslösung immer vollständig ab. Nach dem Ablauf ist die endogene Aktivierungsenergie herabgesetzt. Zur Auslösung muss ein Reiz eine bestimmte Schwelle überschreiten.

Verhaltensfolgen

Dabei folgen mehrere Erbkoordinationen in +/- gesetzmäßiger Folge aufeinander.

Die Dauer und Intensität sind dabei von der Motivation abhängig. Es können Auslassungen und Wiederholungen auftreten.

Bsp.: Paarbildungszeremonie bei Löwen

Doppelte Reaktionsketten

Balzhandlungen treten in Form von doppelten Reaktionsketten auf. Eine Reaktion des Männchens löst eine Reaktionen des Weibchens aus, diese wiederum eine des Männchens, usw.

Bsp.: Stichling

Leerlaufhandlung

Als Leerlaufhandlung bezeichnet man eine Erbkoordination, die spontan und ohne sichtbaren Auslösereiz abläuft.

Wird die Endhandlung lange nicht abgerufen, so kommt es zu einer Schwellenerniedrigung und damit zu einer erhöhten Handlungsbereitschaft. Das Verhalten kann dann schon durch einen nicht adäquaten Reiz oder sogar ohne diesen ausgelöst werden.

Bsp.: Kanarienvogelweibchen zeigen in Abwesenheit von Nest und Nistmaterial dennoch die typischen Nestbaubewegung

Stichlinge balzen bei längerer Abwesenheit von Weibchen auch ohne diese.

Nach dem Prinzip von der doppelten Quantifizierung (K.Lorenz) wird die Handlungsintensität von inneren und äußeren Faktoren beeinflusst. Die gleiche Stärke einer Reaktion kann entweder bei starkem auslösendem Reiz und niedriger Handlungsbereitschaft oder bei schwachem auslösendem Reiz und hoher Handlungsbereitschaft auftreten.

Eine mögliche Erklärung für das Auftreten von Übersprungshandlungen gibt K. Lorenz in seinem psychohydraulischen Modell.

Handlungsbereitschaft wird beeinflusst von:

  • dem Grad der Adaptation und Ermüdung (derselbe Reiz mehrmals hintereinander / Hand in heißem Wasser gewöhnt sich an die Temperatur)
  • bestimmten Jahreszeiten (Fortpflanzung nicht das ganze Jahr möglich)
  • Reiz löst die Reaktion oft nicht gleich in voller Höhe aus, sondern steigert zunächst nur die Handlungsbereitschaft. (Bsp.: Alarmruf des Buchfinks aufgrund einer Eulenattrappe löst nicht sofort Flucht aus, sondern erhöht zunächst nur die Handlungsbereitschaft bei den Artgenossen zur Flucht)
  • Verhaltensweisen können zeitlich begrenzten Außenreiz überdauern
  • · Tier wählt unter den auslösenden Reizen der Umwelt aus, dabei werden Konsequenzen berücksichtigt (trotz Hunger keine Nahrungsaufnahme, wenn Feind in der Nähe / überwiegt der Hunger, wird das Tier zuerst fressen und sich erst dann fortpflanzen)
  • Höhe der Reizschwelle , die von endogenen und exogenen Faktoren beeinflusst wird

Scheinbar sinnloses Verhalten kann auch fremdgesteuert (z.B. durch Parasitenbefall) sein.

Bsp.: Ameise wird von Leberegel befallen, kehrt nicht ins Nest zurück, sondern klettert auf Grashalm und wartet, bis sie von Weidetieren gefressen wird. So kommt der Leberegel in das Weidetier.

Die Übersprungsreaktion kann aber auch der Kommunikation dienen (Ablehnung des Weibchens beim Balzen, Männchen steckt den Kopf unter den Flügel).

Umadressiertes Verhalten (umorientiertes Verhalten)

Dieses tritt besonders als umadressierte Aggression auf. Wird ein Tier daran gehindert seine aggressive Handlungsbereitschaft abzureagieren, so kann sich die Aggression gegen ein unbeteiligtes anderes Tier oder einen leblosen Gegenstand richten.

Durch diesen Mechanismus soll die Aufstauung von Triebenergie verhindert werden.

Bsp.: Schimpanse trifft auf stärkeren Gegner, reagiert sich an Grasbüschel ab.

Intensionsbewegung (Mach-mit-Verhalten)

Dieses hat oft Signalcharakter und tritt bei unvollkommener Hemmung auf. Intensionsbewegungen kündigen nachfolgendes Verhalten an und zeigen den Motivationszustand. Sie sind Verhaltensweisen in geringer Häufigkeit oder niederer Intensität.

Bsp.: Gehemmtes Beißen des Wolfs beim Spiel.

Alternierendes Verhalten

Zwei Aktivitäten treten alternierend im Wechsel auf.

Bsp.: Schwertträgermännchen balzen Weibchen an und drohen dem Eindringling im Wechsel

Appetenzverhalten

Im Zustand der Schwellenerniedrigung sucht das Tier einen exogenen Auslöser . Dieses Verhalten ist ungerichtet und variabel. Die Suchbewegung wurde erlernt oder ererbt. Wenn der exogene Auslöser gefunden worden ist, schließt die Endhandlung den Vorgang ab.

Bsp.: Hungriges Wolfsrudel streift im Wald umher um Beute zu finden Angreifen Fressen

Man unterscheidet:

  • Orientierendes Appetenzverhalten (Suche im Distanzfeld, Objekt ist noch nicht wahrgenommen worden)
  • Orientiertes Appetenzverhalten (Suche im Nahfeld, Objekt ist bereits sichtbar)

Nach der Endhandlung ist die Reaktionsbereitschaft erniedrigt, nicht jedoch nach dem Appetenzverhalten.

Aggression

Man unterscheidet:

  • Zwischenartliche Aggression , die sich gegen Feinde richtet.
  • Innerartliche Aggression , die sich gegen Artgenossen richtet und beim Streit um Besitz oder den soz. Status auftritt.
  • Motivierte Aggression kann
    • endogen motiviert sein (Männchen will sein Territorium erweitern und greift deshalb den Nachbarn an)
    • exogen motiviert sein (Buntbarschmännchen wird mit Modell eines Rivalen gereizt, Katze wird in die Enge getrieben). Endogen motivierte Aggression kann angestaut werden, exogen motivierte Aggression nicht.
  • Erlernte Aggression entsteht, wenn Aggression belohnt wird.
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