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Genaktivität

Drosophila Melanogaster

"Bereits 1934 hat Morgan die Theorie der differentiellen Genaktivität formuliert und die Hypothese aufgestellt, das die Entwicklung durch sukzessive Aktivierung verschiedener Batterien von Genen gesteuert wird. Ausserdem postulierte er, dass die verschiedenen Regionen des Eicytoplasmas die Aktivität der Gene unterschiedlich beeinflussen und dadurch die Zelldifferenzierung einleiten. Durch die Anwendung genetischer und molekularbiologischer Methoden ist seither die Theorie der differentiellen Genaktivität auf eine solide Basis gestellt worden. Da höhere Organismen Genome in der Grössenordnung von mindestens 20'000 Genen besitzen, ist es unvorstellbar, das jedes Gen unabhängig durch sein eigenes Kontrollgen gesteuert wird. Vielmehr müssen wir annehmen, dass es eine Hierarchie oder ein Netzwerk von Kontrollgenen gibt, die die Expression der Strukturgene koordinieren, so dass ihre Aktivitäten räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt sind. Damit stellt sich die Frage, welche Gene diese Schlüsselfunktion übernehmen und damit die Entwicklung steuern. Die genetische Analyse zeigt, dass die rezessiven Mutationen zu einem Verlust der Genaktivität (z.B. in Folge Deletion) führen, während die dominanten Gewinnmutanten entweder das Genprodukt konstitutiv oder ektopisch (am falschen Ort) exprimieren oder überproduzieren.

Da das Fehlen eines Genproduktes bzw. dessen Überproduktion diesen entgegengesetzten Effekt auf den Bauplan haben, kann man annehmen , das den homeotischen Genen eine Kontrollfunktion in der Festlegung des Bauplanes zukommt. Gentechnische Verfahren haben es ermöglicht, homeotische Gene zu klonieren und ihre Steuerungsfunktion zu analysieren. Bei Drosophila gibt es zwei komplexe von eng gekoppelten homeotischen Genen. Bei der Klonierung dieser Komplexe wurde entdeckt, dass die meisten homeotischen Gene eine charakteristische DNA-Sequenz von 180 Basenpaaren - die sog. Homeobox - enthalten. Die Homeobox codiert für eine Polysequenz von 60 Aminosäuren, die als Homeodomäne bezeichnet wird und nur einen Teil der wesentlich grösseren homeotischen Proteine ausmacht. Die Realisierung des Bauplans erfolgt bei Drosophila in drei Stufen. Diese drei Phasen der Musterbildung entsprechen drei Hauptklassen von Genen, die den Bauplan spezifizieren.
Solche Homeodömanen unterscheiden sich bei verschiedenen Arten kaum, wenngleich sie schon relativ evolutiv früh sich trennten. Dies mag ihre Kontrollfunktion nur unterstreichen.

Bereits 1935 fand man die erste homeotische Mutante, bx- (siehe oben), bei der Th3 zu Th2 transformiert wurde. Solche Veränderungen nennen wir Homeosis (soviel zum etymologischen).

Maternaleffektgene (Festlegung des Organisationsplanes im Ei)

Bestimmen Eipolarität und legen die räumlichen Koordinaten des künftigen Embryos. Die Determination im Ei hängt von verschiedenen Faktoren ab. Sie kann erfolgen durch:

(a) lokalisierte cytoplasmatische Determination
Polygranula Urkeimzellen Ubx+ Produkt Metathorax
(b) morphogenetische Gradienten
bicoid protein bcd-, nanos protein nos+
Beides sind Beweise für Mutanten.

Folgend noch einige Anmerkungen:

Bicoid anteriores Organisationszentrum: bcd- zeigt maternal effect (Mae), d.h. der Phänotyp des Embryos entspricht dem Genotyp seiner Mutter, wenn mütterliche Genprodukte im Embryo deponiert werden.
Bcd+ mRNA (m für messenger) induziert im Embryo die Bildung von Kopfstrukturen, ist also Morphogen für anteriore Strukturen.
Feststellung der Lokalisation von (a) bcd+ mRNA im Embryo: mit in situ Hybridisierung und (b) bcd+ Proteinen: durch Immunolokalisation, d.h. mit speziellen Anticoerper. Allgemein stellen diese beiden Methoden das Grundwerkzeug zur Lokalisation von gewissen Molekülinduktoren dar.
Im unbefruchteten Ei findet sich Bcd+ mRNA akkumuliert und gebunden an 'Ankermoleküle' im anterioren corticalen Eicytoplasma. Erst nach der Befruchtung löst es sich und baut durch Diffusion den Gradienten auf.
Nanos (nos) entspricht demgegenüber dem posterioren Organisationszentrum. Nos+ mRNA ist also das Morphogen für posteriore Strukturen und zeigt maternal effect.
Phänotyp von (a) nos: Embryo ohne Abdominalsegmente und (b) nos+: Embryo normal mit Abdominalsegmenten.
Nos+ findet seine Einlagerung am Hinterpol der Eizelle und bewirkt in Wechsel mit bcd+ einen Doppelgradienten, vgl. Schema.

Mit Hilfe von Mutanten konnten solche Koordinaten festgelegt werden. Analoge Gradienten sind
(a) dexter-sinister und (b) dorsal-ventral (auch maternal effect gene). Man vermutet solche auch bei Säugern.
Das hochgestellte plus bei Genen verrät den Wildtyp, der genetisch normal erscheint. Demgegenüber zeigt das fehlen einer hochgestellten mathematischen Funktion bzw. das hochgestellte minus die Mutante.

Segmentationsgene

Sie spezifizieren die Anzahl und Polarität der Segmente (man hat 35 bis heute gefunden). Sie wirken erst im Anschluss an die Maternal-effect-gene und gehören damit zum zygotischen Genom. Man unterscheidet 3 Klassen:

a) deletieren ein oder mehrere benachbarte Segmente,
es sind mind. sechs Subtypen bekannt
z.B. Krüppel (Kr), es fehlen Thorakal 1 bis Abdominal 5, ingesamt 8 Segmente.
b) in 7 Segmenten aktiv, alternierende Segmente werden bestimmt
mind. acht bekannte Subtypen
z.B. fushi tarazu (ftz), jap. und heisst "nicht genügend Segmente", Mutante deletiert alle geradzahligen Segmente
NB: bei Drosophilaentwicklung zeigt sich ein Parasegment, das aus einem posterioren Teil eines anterior gelegenen Segmentes und einen anterioren Teil eines relativ dazu gelegenen posterioren Segement besitzt. Daraus folgt, dass ein Segment immer aus zwei Zellen enstand.
c) wirkt in jedem Segment, jeweils nur im vorderen Abschnitt (vgl. NB unter B) und bestimmt so anscheinend die Polarität in jedem Segment
z.B. en: Mutante en/en bildet spiegelbildlich anteriore Hälften in jedem Segment, en+ ist also essentiell für posteriore Qualitäten in jedem Segment.

Die Reihenfolge der Aktivierung hält sich in der angegebenen Chronologie von A nach C, wobei A zuerst aktiviert wird. Siehe auch Unterrichtsscript Pkt. 43. Zwischen den Maternaleffekt- und den Segmentierungsgenen besteht ein hierarchisches Netzwerk von Wechselwirkung. Letztere reagieren auf den von a) entwickelten Gradienten.

(eigentlichen) homeotische Gene

Sie spezifizieren die Identität und Abfolge der einzelnen Segmente.
z.B. Ultrabithorax (Ubx)
Phänotyp: vierflüglige Drosophila
Th 3 Ubx+ normal: Halteren
Th 3 Ubx- Mutante: zweites Flügelpaar
also wie wir bereits wissen, Transformation von Th3 zu Th2
z.B. Antennapedia (Antp)
Phänotyp: anstelle von Antennen zwei Beine
also Antp transformiert Antennen zu Beine

"Der Bauplan beruht auf einem komplizierten Zusammenspiel verschiedener hometischer Gene, die einander gegenseitig regulieren und die Aktivität der Strukturgene steuern, die letztlich die Bausteine des Organismus produzieren. Die genetische Analyse der homeotischen Gene weist darauf hin, dass die homeotischen Proteine eine genregulatorische Funktion haben." (Wehner)

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