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Fortpflanzung und Entwicklung

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Auch bei Pflanzen treten Krebsgeschwulste auf. Ein verbreitetes Bodenbakterium, nämlich Agrobacterium tumefaciens, kann bei zweikeimblättrigen Pflanzen in Wunden eindringen und im Übergangsbereich zwischen Wurzel und Sprossachse Wurzelhalstumoren, auch Wurzelhalsgallen genannt, hervorrufen. Dies sind Wucherungen, die durch rapides Wachstum der Pflanzenzellen entstehen. In den Tumorzellen entstehen in hoher Konzentration Aminosäurederivate, von denen sich die Bakterien ernähren. Diese Stoffe, die Opine, kommen in normalen Pflanzenzellen nicht vor. Die Tumorzellen behalten auch nach dem Entfernen der Bakterien das unkontrollierte Teilungswachstum bei. Man kann solche Tumorzellen auf Agarnährböden unter Ausschluss von Bakterien als Gewebekulturen wachsen lassen, ohne dass ihre Teilungsaktivität erlischt. Mit dem unkontrollierten Wachstum haben die Tumorzellen eine neue, genetisch fixierte Eigenschaft erhalten. Es muss also von den Bakterien ein tumorinduzierendes Prinzip auf die Pflanzenzellen übergegangen sein.

In den 70er Jahren entdeckte man, dass es sich bei diesem verursachenden Faktor um ein Plasmid handelt, ein außerhalb des Bakterienchromosoms liegendes ringförmiges DNA-Molekül also, das vom Bakterium in die Pflanzenzelle eingebracht wird. Man nennt es tumorinduzierendes Plasmid oder kurz Ti-Plasmid. Ein kleiner Teil des Ti-Plasmids wird in das Genom der Wirtszelle eingebaut und bleibt dort während des Tumorwachstums jahrelang erhalten. Es repliziert sich stets synchron mit der Kern-DNA der Wirtszelle. Auf dem eingebauten Stück des Ti-Plasmids liegen auch die Gene für die Opinsynthese.

Ist in den Agrobakterien das Ti-Plasmid nicht enthalten, sind die Bakterien nicht pathogen. Es werden keine Tumoren hervorgerufen und auch keine Opine gebildet.
Die tumorinduzierenden Agrobakterien haben deshalb bei den Forschern ein so großes Interesse erweckt, weil sie die ersten bekannten Organismen sind, die fremde DNA in Eukaryontenzellen einschleusen und hier zur Expression bringen. Sie zeichnen also den Weg vor, wie man fremde Gene in die genetische Information eines Organismus einbringen kann. Es liegt hier ein Beispiel einer ,,natürlichen Gentechnologie" vor.

Pflanzenzüchter sind bestrebt, auf diesem Wege den Kulturpflanzen neue erwünschte Eigenschaften zu verleihen. Man schneidet dabei mit Hilfe von Restriktionsenzymen die unerwünschten Gene, z.B. für die Tumorbildung, aus dem Ti-Plasmid des Bakteriums heraus und setzt dafür die einzubringende DNA ein. Auf diese Weise konnten bereits herbizidresistente Pflanzen gezüchtet werden. Ein Fernziel ist die Züchtung stickstofffixierender Nutzpflanzen.

Zellkulturen und Gewebekulturen

Bei Pflanzen, die sich sonst nur schwer kultivieren lassen, z.B. bei exotischen Orchideen, wendet man seit einiger Zeit eine besondere Kulturtechnik an. Aus dem Pflanzenkörper isolierte Gewebestücke oder sogar einzelne Zellen können auf künstlichen Nährböden gehalten werden.

Man sterilisiert dazu oberflächlich ein solches Gewebestück, das man dem Blatt oder einem anderen Organ der Pflanze entnommen hat, und bringt es auf einen mit Agar-Agar verfestigten Nährboden. Dieser muss die notwendigen Mineralsalze und, weil die Gewebestücke in Kultur meist heterotroph sind, einen Zucker wie Saccharose oder Glucose als Energiequelle enthalten. Meist muss man auch noch Pflanzenhormone (Phytohormone), die das Wachstum und die Zellteilung fördern, zusetzen.

Ein explantiertes Gewebestück bildet in der Kultur unter lebhaften Zellteilungen an der Schnittfläche zunächst einen Komplex undifferenzierter Zellen, ein Wundgewebe oder einen Kallus, aus. Später setzen in diesem Kallus Differenzierungen ein, die mit der Ausbildung eines Meristems, eines Bildungsgewebes also, beginnen. Man kann vom Kallusgewebe in mehrwöchigen Abständen Stückchen ablösen und gesondert weiter kultivieren. So erhält man in kurzer Zeit zahlreiche Subkulturen. Pflanzliche Gewebekulturen können sowohl im Licht als auch im Dunkeln gehalten werden. Durch geeignete Konzentration und Kombination der zugesetzten Phytohormone kann in den Gewebehäufchen die Bildung von Pflanzenorganen induziert werden. Schließlich entstehen daraus intakte kleine Pflänzchen, die man nun in Erde normal weiterziehen kann.
Pflanzliche Gewebekulturen sind nicht nur von praktischem Nutzen bei der Pflanzenzucht, sondern auch von großem Interesse für die Grundlagenforschung. Sie ermöglichen z.B. Einsicht in die Bildungspotenzen pflanzlicher Zellen und Gewebe und die Ermittlung des Nährstoffbedarfs sowie der Resistenz gegen Krankheitserreger. Die Verwendung von Gewebekulturen, die bis zu 106 Zellen pro Milliliter enthalten, ermöglicht es den Wissenschaftlern, Versuche an einem sehr großen Kollektiv vorzunehmen. Aufwändige Versuche mit vergleichsweise wenigen Pflanzen aus Freiland oder Gewächshaus werden dadurch überflüssig.

Um Kulturen isolierter Einzelzellen anzulegen, benötigt man flüssige Nährsubstrate. Zunächst zieht man Kallusgewebe heran. Durch Schütteln und durch geeignete Zusammensetzung des Nährmediums erreicht man, dass das Gewebe in unterschiedlich große Zellaggregate bis zu Einzelzellen hinab zerfällt. Eine solche Kultur wird als Zellsuspensionskultur bezeichnet. Durch Filtrieren mittels einer Gaze kann man daraus Einzelzellen erhalten, die zu ganzen Pflanzen regenerieren können. Die Totipotenz der Zelle kommt darin überzeugend zum Ausdruck.
Die Regeneration aus Einzelzellen gelingt noch besser, wenn man zellwandlose Zellen als Ausgangsmaterial verwendet, also nur den Protoplasten der Zelle. Man gewinnt solche Protoplasten durch Zusatz von Pektinasen, das heißt von Enzymen, die die Mittellamelle der Zellwand auflösen, und von Cellulasen, die die Cellulose abbauen. Der osmotische Wert des Mediums muss dabei gleich dem des Cytoplasmas sein.
Die abgerundeten Protoplasten können in der anschließenden Kultur wie tierische Zellen experimentell behandelt, z.B. auf Infizierbarkeit durch Viren untersucht, werden. Aus solchen Einzelzellen lassen sich bei einer Anzahl von Pflanzenarten intakte Pflanzen erzeugen. Sie sind mit der Ausgangspflanze und untereinander genotypisch und phänotypisch identisch: Es sind geklonte Pflanzen.

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