Bei den Pflanzen entwickelt sich wie bei den Tieren aus der befruchteten
Eizelle ein vielzelliger Organismus. Ein Vergleich eines tierischen oder
auch menschlichen Embryos mit dem Keimling in einem Pflanzensamen ergibt
folgendes: In frühen tierischen Embryonalstadien sind schon alle Organe
mehr oder weniger deutlich angelegt. In der weiteren Entwicklung werden
die Organanlagen nur noch weiter ausdifferenziert. Das Tier ist nach Abschluss
der Entwicklung ausgewachsen. Am pflanzlichen Keimling dagegen sind nur
die ersten Anlagen von Wurzel und Sproß vorhanden. Alle übrigen
Organe werden erst im Verlauf der weiteren Entwicklung angelegt und ausgebildet.
Embryoentwicklung
Im Fruchtknoten entwickelt sich innerhalb der Samenanlage aus der befruchteten
Eizelle, der Zygote, ein neues Pflänzchen. Es wird bis zur Keimung
des Samens als Embryo bezeichnet. Aus der Zygote geht durch Querteilungen
zunächst ein kurzer Zellfaden hervor. Nur die gegen das Innere der
Samenanlage gerichtete Endzelle bildet den eigentlichen Embryo.
Die übrigen
Zellen bilden den Embryoträger. Dieser verlängert sich und schiebt
den Embryo in das Innere der Samenanlage hinein. An dem der Öffnung der Samenanlage, der Mikropyle, zugekehrten Pol
entsteht die Keimwurzel. Am entgegengesetzten Pol werden bei den Zweikeimblättrigen
(wie der Name bereits sagt) zwei Keimblätter ausgebildet. Und bei den
Einkeimblättrigen entsprechend nur ein einziges Keimblatt. Der mittlere
Embryoteil stellt die Keimachse dar. Zwischen den Keimblattanlagen liegt
ein Bildungsgewebe (Meristem), aus dem später der übrige Spross
hervorgeht.
Samenbildung
Während der Entwicklung des Embryos verändern sich auch die übrigen
Teile der Samenanlage. In ihrem Inneren entsteht ein vielzelliges Nährgewebe,
das die für die Weiterentwicklung des Embryos notwendigen Nährstoffe
enthält. Ein solches Nährgewebe liegt z.B. im Weizenkorn vor.
Bei vielen Pflanzen fehlt es jedoch. Die Nährstoffe werden dann in
den Keimblättern gespeichert. Bohne und Walnuss haben z.B. solche
Speicherkeimblätter: Die beiden äußeren Hüllen der
Samenanlage, die Integumente, bilden sich während der Samenreifung
zur festen Samenschale um.
Die Bildung von Samen ist das kennzeichnende Merkmal der Samenpflanzen.
Der Samen dient der Fortpflanzung, gleichzeitig aber auch der Verbreitung.
Der wesentliche Bestandteil eines reifen Samens ist also eine kleine Keimpflanze,
die sich im vorübergehenden Ruhezustand befindet, mit Nährstoffen
für ihre spätere Weiterentwicklung versorgt und von einer schützenden
Hülle umschlossen ist.
Samenkeimung
Ein in Wasser gelegter Samen der Feuerbohne vergrößert sich
auf etwa das Doppelte. Die Samenschale platzt auf, und nach wenigen Tagen
kommt die Keimwurzel zum Vorschein. Bald danach tritt zwischen den Keimblättern
der Sproß mit den ersten Blättchen hervor.
Bei der Keimung setzt sich die vorübergehend zum Stillstand gekommene
Entwicklung des jungen Pflänzchens fort. Dieser Prozess beginnt
mit der Quellung des Samens. Dabei wird unter Volumenzunahme Wasser in den
Samen aufgenommen. Nach der Quellung setzt mit dem Wachstum des Embryos
die eigentliche Keimung des Samens ein: Zunächst vergrößern
sich die schon vorhandenen Keimlingsorgane. Die im Nährgewebe oder
in den Keimblättern gespeicherten Reservestoffe werden durch Enzyme
mobilisiert und den wachsenden und sich teilenden Zellen zugeführt.
Zuerst bricht die Keimwurzel aus dem Samen heraus. Sie wendet sich nach
unten und entwickelt sich in den meisten Fällen zur Hauptwurzel. In
einer begrenzten Zone kurz hinter der Wurzelspitze wachsen ringsum die Wurzelhaare
aus. Oberhalb der Wurzelhaarzone entstehen die Seitenwurzeln. Bald danach
setzt auch das Wachstum der Keimachse ein. Sie ist bei vielen Pflanzenarten
zuerst hakenförmig gekrümmt und kann so leichter den Boden durchbrechen.
Dann richtet sie sich auf und bringt die aus der Samenschale hervortretenden,
ergrünenden Keimblätter über die Bodenoberfläche. Diese
Art Keimung, bei der durch Streckung der Keimachse die Keimblätter
über den Boden emporgehoben werden, finden wir z.B. bei Kohlarten,
Kresse, Gartenbohne und Buche.
Oft verbleiben die dickfleischigen Speicherkeimblätter im Boden. Statt
der Keimachse streckt sich dann der nächstfolgende Abschnitt der Sprossachse.
Infolgedessen sind die ersten über dem Boden erscheinenden Blätter
nicht die Keimblätter, sondern die Primärblätter: Diese Art
der Keimung kommt z.B. bei Feuerbohne, Erbse und Rosskastanie vor. Die Keimlinge der Nadelhölzer besitzen zahlreiche Keimblätter.
Die Einkeimblättrigen haben nur ein einziges Keimblatt. Es ist oft
als Saugorgan ausgebildet und nimmt die Nährstoffe aus dem Nährgewebe
auf. Bei den Gräsern, zu denen auch die Getreidearten gehören,
verbleibt das winzig kleine, als Saugorgan dienende Keimblatt vollständig
im Korn. Als erster Sprossteil erscheint hier die bleiche Keimscheide
oder Koleoptile. Sie wird nur wenige Zentimeter lang und an ihrer Spitze
bald vom ersten Blatt, dem Primärblatt, durchbrochen. |