Bei
vielen Tierarten treten gelegentlich Albinos auf. Dies ist auf eine Veränderung
der genetischen Information zurückzuführen. In den Zellen dieser
Mutanten ist ein Enzym ausgefallen,so dass keine Pigmente synthetisiert werden.
Grundsätzlich werden alle vererbbaren Merkmale mithilfe enzymkatalysierter
Reaktionen ausgebildet. Alle Enzyme sind Proteine. Es ergibt sich so die
Frage, wie die genetische Information auf der DNA die Synthese von Proteinen
beeinflußt. In den natürlichen Proteinen kommen 20 verschiedene
Aminosäurebausteine vor. Dabei hängen Struktur und biologische
Funktion eines Proteins von der Aufeinanderfolge der Aminosäuren, der
Aminosäuresequenz, ab. Auf der DNA muß daher die Anweisung für
Zahl und Abfolge der Aminosäuren in einem Enzym verschlüsselt
sein.
Die DNA befindet sich in den Chromosomen des Zellkerns, die Proteine werden
jedoch im Cytoplasma synthetisiert. Durch Versuche mit radioaktiv markierten
Aminosäuren konnte ermittelt werden, daß die Ribosomen die Organellen
sind, an denen Aminosäuren zu Proteinen verknüpft werden. Die
DNA mit der Information für die Aminosäuresequenz eines Genprodukts
verlässt den Zellkern nicht. Vielmehr wird diese Information durch
ein chemisches Zwischenprodukt von der DNA abgelesen. Als Träger der
genetischen Information vom Zellkern zu den Ribosomen dient eine Nucleinsäure,
die messenger-RNA (m-RNA). RNA unterscheidet sich von der DNA in zwei Bausteinen:
Die Zuckerkomponente ist hier die Ribose; statt des Thymins tritt in der
RNA Uracil als vierte Base neben Guanin, Cytosin und Adenin auf.
Transkription
Gibt man zu einer wachsenden Zellkultur radioaktiv markierte RNA-Bausteine,
so werden diese in neusynthetisierte RNA eingebaut. Überprüft
man kurz danach, wo in der Zelle Radioaktivität auftritt, so findet
sich diese fast ausschließlich im Zellkern. Weitere Untersuchungen
zeigen, daß RNA an DNA-Abschnitten der Chromosomen gebildet wird.
Dazu tritt in dem DNA-Abschnitt eine vorübergehende Entwindung der
Doppel-helix auf. An einem Strang der DNA, dem sogenannten codogenen Strang,
lagern sich komplementär zur Basensequenz RNA-Nucleotide an und werden
verknüpft. Dabei lagert sich an das Adenin der DNA immer ein RNA-Nucleotid
mit der Base Uracil an.
Die RNA-Synthese an einem DNA-Strang wird Transkription genannt. Dieser
Vorgang wird vom Enzym
RNA-Polymerase katalysiert, die RNA nur in 5' - 3'-Richtung synthetisieren
kann.
Entsprechend der antiparallelen Struktur der Nucleinsäurestränge
wird die Basensequenz der DNA in 3' - 5'-Richtung abgelesen. Die RNA-Polymerase
erkennt dabei auf dem codogenen DNA-Strang spezifische Start- und Stoppsignale,
so dass immer nur ein kleiner Teilbereich der DNA-Sequenz abgelesen
wird. RNA-Moleküle sind einsträngig und wesentlich kürzer
als die DNA-Doppelhelix. Die synthetisierte RNA löst sich vom codogenen
DNA-Strang, und die Entwindung der Doppel-Helix wird wieder rückgängig
gemacht.
Genetischer Code
Die m-RNA dient als ,,Botenmolekül" zwischen Zellkern und Ribosomen;
sie vermittelt zwischen dem Ort der Speicherung und dem Ort der Verwirklichung
der genetischen Information. Da bei der Transkription das Ablesen der DNA-Information
im Ablesen der Basensequenz besteht, muss in der Basenabfolge der m-RNA
die Bauanweisung für ein Protein enthalten sein. Der genetische Code
arbeitet also mit vier Zeichen, mit den vier Basen. Würde ein Codewort für eine Aminosäure nur aus einer Base
bestehen, so könnten in der RNA nur vier Aminosäuren codiert werden.
Auch Codewörter aus zwei Basen reichen mit 16 möglichen Kombinationen
nicht aus. Tatsächlich wird eine Aminosäure durch eine Gruppe
von drei Basen, also durch ein Basentriplett der m-RNA codiert. Man bezeichnet
ein solches DNA-Codewort als Codon.
Die Entschlüsselung des genetischen Codes gelang mit künstlich
synthetisierter m-RNA, die man Zellextrakten zusetzte. So baute man z.B.
eine RNA mit sich stetig wiederholender Basensequenz UCG. In der Proteinbiosynthese
lieferte diese ,,m-RNA" dann ein Protein, das nur aus der Aminosäure
Serin aufgebaut war. In weiteren Versuchen konnte man 61 der 64 möglichen
Triplett-Kombinationen eine Aminosäure zuordnen. Die meisten der 20
Aminosäuren werden durch mehrere Basentripletts codiert. Man kann also
von einer dieser Aminosäuren nicht auf ein bestimmtes Triplett schließen.
So kann z.B. Prolin durch die Codons CCU, CCC, CCA oder CCG verschlüsselt
sein. Aufgrund der fehlenden Eindeutigkeit der Beziehung Basentriplett-Aminosäure
bezeichnet man den genetischen Code auch als degeneriert. Man vermutet,
dass in den Anfängen der biologischen Evolution nur ein Zweiercode
vorlag. Tatsächlich stimmen die Codons einer Aminosäure meist
in den ersten beiden Positionen überein.
Bei den Versuchen mit künstlicher m-RNA fand man drei Basentripletts,
denen keine Aminosäure zugeordnet werden konnte. Es stellte sich heraus,
daß diese zunächst als ,,Nonsens-Tripletts" bezeichneten
Sequenzen Stoppsignale sind. Sie codieren die Information für die Beendigung
der Synthese eines Proteins. Das Triplett AUG dagegen bedeutet Start der
Proteinsynthese. Gleichzeitig codiert es die Aminosäure Methionin.
Transfer- RNA (t-RNA)
Jedes m-RNA-Molekül enthält in Form von Codons die genetische
Information für die Aminosäuresequenz eines Proteins. Wie wird
nun diese Information in die Synthese eines Proteins umgesetzt? Man hat
diese Frage mithilfe zellfreier Systeme untersucht. Solche Systeme erhält
man, indem Zellen aufgebrochen und größere Bestandteile abzentrifugiert
werden. Enthält ein Ansatz nur Ribosomen und lösliche Verbindungen,
so kann er durch Zugabe eines RNA-abbauenden Enzyms zusätzlich von der RNA
befreit werden. Gibt man dann zu einem derartigen zellfreien System Aminosäuren,
erfolgt keine Proteinsynthese. Auch die Zugabe isolierter m-RNA bringt kein
Ergebnis.
Erst wenn man eine weitere RNA-Art, die transfer-RNA (t-RNA), hinzufügt,
ist eine vom Zellkern unabhängige Proteinsynthese möglich. Ein
t-RNA-Molekül besteht aus nur etwa 80 Nudeotiden. Im Molekül treten
Basenpaarungen auf, die Faltungen begünstigen und der t-RNA eine charakteristische
Raumstruktur geben. Zwei Molekülabschnitte sind für die Aufgaben
der t-RNA besonders wichtig: Zum einen kann am 3'- Ende eine Aminosäure
gebunden werden; zum anderen hat das t-RNA-Molekül eine Schleife, die
ein spezifisches Triplett ungepaarter Basen trägt. Man spricht hier
vom Anticodon. T-RNA-Moleküle transportieren die Aminosäuren zu
den Ribosomen. Dabei bindet ein t-RNA-Molekül immer nur eine bestimmte
Aminosäure. Die verschiedenen t-RNA-Typen in der Zelle unterscheiden
sich in ihren Anticodons.
Translation
Bei der Verwirklichung genetischer Informationen wirken m-RNA, t-RNA und
Ribosomen sowie zahlreiche weitere Faktoren in spezifischer Weise zusammen.
Zunächst erfolgt die Bindung der m-RNA an ein Ribosom. Damit ist dann
das ,,Startsignal" für die nachfolgenden Prozesse gegeben. Ein
mit seiner ihm zugeordneten Aminosäure beladenes t-RNA-Molekül
kann im Eingang eines Ribosoms gebunden werden. Am Grunde dieses Eingangs
liegt die m-RNA mit einem Basentriplettabschnitt ebenfalls gebunden vor.
Es lagert sich dann die Aminosäure-t-RNA an, die mit ihrem Anticodon
das Codon der m-RNA erkennt: Das Codon der m-RNA und das Anticodon der t-RNA
sind in ihren Basensequenzen einander komplementär. So kann entsprechend
dem Prinzip der genetischen Codierung einem Basentriplett eine Aminosäure
eindeutig zugeordnet werden.
Das Ablesen aller Codons eines m-RNA-Moleküls ergibt die Aminosäuresequenz
eines Proteins. Gleichzeitig erfolgt aber am Ribosom auch die Verknüpfung
der Aminosäuren untereinander. Grundsätzlich beginnt die Biosynthese
eines Proteins immer mit dem Startcodon AUG, das zugleich die Aminosäure
Methionin codiert. Nachdem die Methionin-t-RNA mit dem Anticodon UAC im
Ribosomen-Eingang durch Basenpaarung gebunden ist, rückt das Ribosom
um eine Triplettbreite auf der m-RNA weiter. Die Methionin-t-RNA sitzt dann
in der als Ausgang zu bezeichnenden zweiten Bindungsstelle des Ribosoms.
In den Ribosomeneingang ist dann das nächstfolgende Codon der m-RNA
gerückt. Dort wird nun die entsprechende zweite Aminosäure-t-RNA
angelagert Danach geht die Aminosäure im Ribosomen-Ausgang auf die
Aminosäure in der Eingangsposition über und wird dort angeknüpft.
Im Ribosomeneingang sitzt nun ein t-RNA-Molekül, das ein Dipeptid trägt.
Das im Ausgang entladene t-RNA-Molekül verlässt das Ribosom
und bindet im Cytoplasma erneut die ihm zugeordnete Aminosäure. Das
Ribosom rückt erneut um ein Basentriplett weiter. Die das Peptid tragende
t-RNA sitzt dann im Ausgang des Ribosoms. Der Eingang wird durch eine neue
Aminosäure-t-RNA besetzt, die das dort vorliegende Codon erkennt. Das
Ribosom läuft die gesamte Basensequenz der m-RNA ab, und die oben geschilderten
Vorgänge wiederholen sich, wobei die Proteinkette ständig wächst.
An dieser Kettenverlängerung sind verschiedene Enzyme beteiligt, die
Bestandteile des Ribosoms sind. Erreicht das Ribosom ein Stoppcodon, zerfällt
das Ribosom in seine beiden Untereinheiten, und die Proteinbiosynthese ist
abgeschlossen. Bei dieser Synthese erfolgt die Übersetzung der genetischen
Sprache, also der Basensequenz der Nucleinsäuren in die Aminosäuresequenz
eines Proteins. Man bezeichnet diesen Vorgang als Translation. In der Regel
wird ein m-RNA-Molekül von mehreren Ribosomen gleichzeitig abgelesen.
Die Ribosomen wandern hintereinander am m-RNA-Strang entlang. Jedes Ribosom
bewirkt die Synthese eines Proteinmoleküls.
Bevor dieser ganze Vorgang stattfinden kann, wird nach einem Signal ein
regulatorisches Protein von einer inaktiven in eine aktive Form umgewandelt.
Das aktive Regulatorprotein dockt auf der DNA vor dem Promotorgebiet an
und legt somit den Weg für die RNA-Polymerase frei. Bevor dann die
transkribierte m-RNA den Kern verlässt, erfolgt das sogenannte "RNA-splicing",
bei dem unwichtige Gebiete aus dem Strang herausgeschnitten werden (Introne)
und die übrigbleibenden Extrone werden dann zur m-RNA-Endform zusammengeklebt.
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