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Rot-Grün Farbenblindheit beim Menschen

Physiologische Grundlage des Farbsehens

In der Netzhaut des Menschen befinden sich:

  • Stäbchenförmige Sinneszellen: Dämmer- oder Hell-Dunkel-Sehen, Dunkelanpassung, farbenuntüchtig
  • Zapfenförmige Sinneszellen: Tagsehen, farbentüchtig

Je dunkler es wird, desto mehr verschiebt sich das Sehen von Zapfen zu Stäbchen.

Maximalabsorption der Rezeptoren:

Zapfenförmige Zellen:

Funktionsstörungen (Farbsinnesstörungen)

In Europa ist die Rot-Grün Farbenblindheit beim Mann viel häufiger als bei der Frau. Die Deuteranomalie ist am häufigsten.
Im weiteren gibt es auch noch die gelb-blau Farbenblindheit ( = tritanop). Sie ist sehr selten und autosomal, das heisst gleich häufig bei Männern und Frauen!

Diagnose:

  • mit pseudoisochromatischen Tafeln
  • Anomaloskop (spektraler Farbenmischapparat zur Prüfung von Farbsinnesstörungen; Anomaliequote

Erbgang der Rot-Grün Farbenblindheit und Nachweis von 2 Genloci

Der Erbgang ist:

  • rezessiv
  • X-chromosomal ( geschlechtsgekoppelt)

Beweis, dass das Gen nicht auf einem Autosomen liegt:

Man führt eine reziproke Kreuzung durch und erhält ungleiche F1 für jeden der beiden Fälle (siehe auch Praktikum)!

f = farbenblind

Wäre das Gen auf einem Autosomen, so wäre die F1 uniform! Es muss also geschlechtsgekoppelt sein.

Allgemein: Es handelt sich um geschlechtsgekoppelte Erbgänge, wenn bei der reziproken Kreuzung ungleiche F1 Generationen entstehen.

Bei der Rot-Grün Farbenblindheit sind zwei Genloci mit je drei Allelen beteiligt (multiple Allelie). Sie befinden sich auf dem X-Chromosom.

Beweis, dass Protan und Deutan zwei verschiedene Gene (Cistrons) auf dem X-Chromosom sind, und nicht etwa Allele:

Franceschetti & Klein 1949, 1956

Eine deuteranope Mutter und ein protanoper Vater haben vier Kinder: 1 farbentüchtiges Mädchen und 3 deuteranope Jungen!
Es handelt sich also nicht um ein einzelnes Cistron, sondern um zwei verschiedene Cistrons (und kein cis-trans Effekt)!

Wären p und d Allele, so könnte kein normales Mädchen entstehen. Es müsste deuteranop (von Frauen) und protanop (von Männern) sein:

Somit ist bewiesen, dass ein Protan- und ein Deutan-Locus existiert!

Populationsgenetik

Beispiel für Populationsgenetik: Wieviele Prozent der Frauen sind farbenblind in einer Population mit 8 % rot-grün farbenblinden Männern?

Genfrequenz: Häufigkeit eines bestimmten Gens (Allels) in der Population

Vereinfachtes Beispiel:
p und d sind Allele und werden als 1 Genlocus (f) betrachtet (f+ = Wildallel, f = Mutante)

p + q = 1
( p + q )² = 1
für weiblich und männlich gilt: p² + 2pq +q² = 1

p = 0.08 p² = 0.0064 = 0.64 %

Nur p2 sind farbenblinde Frauen (0.64 %), da das Gen rezessiv ist, d. h. pq sind nur Konduktorinnen, selber aber nicht farbenblind!

Hardy - Weinberg - Gesetz:

Die Frequenz der Geno- und Phänotypen bleibt über Generationen konstant, falls die folgenden Gesetzmässigkeiten gelten:

  • Panmixie: gleiche Wahrscheinlichkeit für jede elterliche Verbindung. Das gilt beispielsweise für Drosophila in der Flasche, aber in der Regel nicht für den Menschen! (Beim Beispiel der Rot-grün Farbenblindheit ist diese Bedingung erfüllt: Man fragt bei der Heirat nicht, ob der Partner rot-grün farbenblind ist...., bei Trisomie 21 ist diese Bedingung aber eindeutig nicht erfüllt)
  • Keine Selektionsvor- oder nachteile: Wenn wir uns nur von Walderdbeeren ernähren würden, wäre die rot-grün Farbenblindheit schon längst ausgestorben...
  • Kein Gendrift: ( = keine Zufallsauswahl in kleinen Populationen) Wenn 10 Paare aus dem Vorlesungssaal auf eine einsame Insel verbannt würden, wäre die Wahrscheinlichkeit sehr gross, dass keine rot-grün farbenblinde Person dabei ist
  • Neumutationsrate = Rückmutationsrate: Das ist in der Realität nie so, die Neumutationsrate ist immer grösser als die Rückmutationsrate.

Bedeutung des Hardy - Weinberg - Gesetz gezeigt am Beispiel der Rot-Grün-Farbenblindheit:

Da 8 % der ? farbenblind sind, ist p für Farbenblindheit f = 0.08
Wieviele farbenblinde ? gibt es nach dem Hardy - Weinberg - Gesetz in unserer Bevölkerung?

Kreuzungsschema:

Wahrscheinlichkeit für farbenblinde Frauen:

p² = (0.08)2 = 0.0064 0.64 %

Die Wahrscheinlichkeit für eine farbenblinde Tochter ist laut dem Hardy - Weinberg - Gesetz also 0.64 %. In Wirklichkeit sind aber nur 0.44 % der Frauen farbenblind. Dies ist auf die Zwei-Gen-Situation zurückzuführen.

Die Wahrscheinlichkeit, eine Konduktorin (heterozygot) zu sein:

2 pq = 2 x (0.08 x 0.92) = 0.1472 14.72 %

p für homozygot dominant:

q² = (0.92)²2 = 0.8464 = 84.64 %

Das Hardy - Weinberg - Gesetz stimmt also:
p² + 2 pq + q² = 1
0.0064 + 0.1472 + 0.8464 = 1

Wann weiss eine Frau mit Sicherheit, dass sie Konduktorin ist?
Wenn der Vater farbenblind ist!

Hämophilie: Bluterkrankheit

Physiologisches zur Blutgerinnung

Dies ist ein vereinfachtes Gerinnungsschema; es sind mindestens 13 Gerinnungsfaktoren!

Faktor VIII:

  • antihämophiles Globulin (MG @ 200'000);
  • Gen: 186'000 Basenpaare (2322 Aminosäuren)
  • ist in Milz aktiv; wenn nicht funkitionsfähig: Hämophilie A (in CH: 84% aller Bluter)

FaktorIX:

  • Plasma-Thromboplastin Komponente = „Christmas-Factor“ (MG @ 50'000)
  • Gen: 34'000 Basenpaare (500 Aminosäuren)
  • ist in Leber aktiv; wenn es nicht oder nur mangelhaft funktioniert:
    Hämophilie B (in CH: 16% aller Bluter)

Die Gene für Hämophilie A und B liegen an verschiedenen Genloci und sind X-chromosomal rezessiv.

Blutspenden: Beim gespendeten Blut wird das Ca+ entfernt, somit kann das Blut nicht mehr gerinnen!

Vererbung

  • Hämophilie A und B sind beide X-chromosomal rezessiv, keine Allele ( 2 versch. Gene)
  • Die Krankheit ist ziemlich schlimm: bereits kleine Wunden, ein Zahnartzbesuch oder Kapillarverletzungen stellen eine enorme Gefahr für die betroffene Person dar
  • Dank blutgerinnenden Mitteln können Frauen nun die 1. Menstruation überleben und sogar Kinder bekommen!
  • In der CH: 1/15'000 männliche Bluter, p für Hämophilie = 0.0067 %

Bluter männlich: 1 : 15'000 Wahrscheinlichkeit p für ein X-Chromosom mit dem rezessiven Allel h = 0.0067 %

Bluter weiblich: p² = (1/15‘000)² = 1 : 225 x 106
Bei Geburt: Kind männlich ist immer Bluter, weil die Mutter homozygot ist.

In der Schweiz leben ca. 350 Bluter mit einer Lebenserwartung von 50 Jahren.

Nehmen Erbkrankheiten zu oder ab?
Gleichgewicht zwischen Elimination und Beumutation:

Verschiebung des Gleichgewichtes:

  • die Eliminationsrate wird gebremst durch die ärztliche „Kunst“
  • die Mutationsrate steigt durch zusätzliche Strahlung, u. a. mutagene Agenzien

negative Selektion! (Genmaterial wird immer schlechter !)

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