Definitionen
Mutationen: sind Änderungen der Erbsubstanz, die
von einem hochstabilen Zustand zu einem anderen, wiederum stabilen Zustand
führen.
Modifikationen: sind nicht vererbbare, umweltbedingte
Veränderungen des Phänotypen
Phänokopie: durch Aussenfaktoren bewirkte Veränderung
in der Merkmalsbildung eines Genotyps, die zur Nachbildung des Manifestationsmusters
eines anderen Genotyps führt.
Beispiele für:
- Mutationen: Chondrodystrophie = disproportionierter
Zwergwuchs, vererbbar
- Modifikation: durch Unfall bedingter Verlust einer
Extremität, nicht vererbbar
- Phänokopie: Biotinmangel führt beim Huhn
zur Phänokopie von Chondrodystrophie, nicht vererbbar
Durch Rückkreuzungen können Phänokopie und Mutation voneinander
unterschieden werden, da Phänokopie nicht vererbbar ist.
Mutationstypen
Es gibt 3 Typen von Mutationen:
- Genommutationen: Veränderung der Chromosomenzahl
- Chromosomenmutationen: Strukturmutationen = Veränderung des Chromosomenbaus
- Genmutationen: Mutation im Gen selbst = Punktmutationen
Genommutationen
= Veränderung der Chromosomenzahl
- Euploidie: Vervielfachung kompletter Chromosomensätze in allen
Zellen eines Organismus. Kommt vor allem bei Pflanzen vor, in Ausnahmefällen
auch bei Tieren entdeckt. z. B. Weizen: 2n = 14, 4n = 28, 6n = 42, usw.
Euploidie ist häufig bei Kulturpflanzen (es macht die Pflanze grösser
und stärker).
- Endopolyploidie: Somatische Vervielfachung des Chromosomensatzes in
bestimmten Geweben, z. B.: Leberzellen von Säugern, Darmzellen von
Mückenlarven 4n = 12, 8n = 24, 16n = 48, usw.
- Aneuploidie: Einzelne Chromosomen sind überzählig oder fehlen,
z. B. Monosomie (beim Menschen: Turner - ?), Trisomie (beim Menschen:
Down-Syndrom)
Chromosomenmutationen
= Strukturmutationen = Änderung im Chromosomenbau
1. Deletion = Deficiency = Stückausfall ( = Verlust
eines Chromosomensegments)
Heterozygote Deletionen sind an polytänen Chromosomen erkennbar:
z. B. Mutante Notch (N) bei Drosophila:
Deletion des Bandes 3C7 im X-Chromosom
2. Duplikation ( = Verdopplung eines Chromosomensegmentes)
Entsteht z. B. durch Crossing over zwischen homologen Chromosomen an nicht
homologen Stellen:
Auf dem einen Chromosom sind die fünf Bänder doppelt (= Duplikation);
auf dem anderen fehlen sie gänzlich = Deletion (wahrscheinlich letal)
3. Inversion ( = Umkehrung eines Chromosomensegmentes
innerhalb eines Chromosoms)
Entsteht als Folge von zwei Brüchen und Vereinigung der Bruchenden
übers Kreuz:
z. B. Mutante Curly (Cy) bei Drosophila:
Inversions-Heterozygote zeigen Schleifen in polytänen Chromosomen
4. Translokation ( = Austausch von Chromosomensegmenten
zwischen nicht-homologen Chromosomen)
5. Transposition ( = Übertragung eines Chromosomensegmentes
an eine andere Stelle des gleichen oder eines anderen Chromosoms)
Transpons = mobile genetische Elemente ( = „jumping genes“)
z. B. P-Elemente (Drosophila); Rous Sarcoma Virus (Huhn)
Genmutationen
= Punktmutation = Veränderung im Gen selbst
- Substitution einer Base
- Deletion oder Addition einer Base
Ort der Mutation
Jede Zelle kann jederzeit mutieren!
Auswirkungen, wenn eine Mutation stattfindet in:
- Zellen der Keimbahn: Übertragung auf die Nachkommen
- Soma: Vermehrung nur im Individuum während der Embryonalentwicklung:
Mosaikflecken
z. B.: weisse Haarlocke (begrenzter Albinismus), ein braunes und ein blaues
Auge
Mutationsrate
Spontanrate
Definition Spontanrate: Mutationsrate unter natürlichen Bedingungen
1. Spontanrate pro Locus
- Escherichia coli: 10-6 - 10-9
E. coli hat eine sehr kurze Generationszeit (alle 20 min. Vermehrung)
- Drosophila mel.: 10-4 - 10-6
Tiefer, weil weniger schnelle Vermehrung
- Mensch: 10-4 - 10-6
Der Mensch hat keine tiefere Spontanrate als Dros., obwohl die Generationszeit
ca. 25 Jahre beträgt. Warum das so ist, weiss man nicht.
Mutationsraten beim Menschen:
Hämophilie; X-chromosomal, rezessiv
Albinismus; autosomal, rezessiv
Chondrodystrophie; autosomal, dominant |
3.2 x 10-5
2.8 x 10-5
4.2 x 10-5 |
Beim Menschen hat durchschnittlich ein von 30'000 Keimzellen eine Mutation!
2. Gesamtrate
Schwierigkeiten:
- Mutationsrate pro Einzelgen sehr verschieden
z. B. bei Drosophila: y+ › y = 1: 10‘000
B+ › B = ist in über 80 Jahren Drosophila-Forschung bisher
1x aufgetreten
- Totalzahl der Gene ist unbekannt, es sind nur Schätzungen möglich
Der Mensch hat schätzungsweise 65'000 - 80‘000 Gene
Drosophila hat ca. 10'000 Gene
Geschätzte Gesamtrate von Dros. mel: ca. 10'000 x 10-5 ˜ 10 %
Geschätzte Gesamtrate des Menschen: ca. 80'000 (?) x 10-5 ˜ 80%
Von 5 produzierten Spermien (oder Eizellen) sind 4 durch einen Gendefekt
mutiert. Neumutationen sind meist Letalfaktoren, d. h. die Keimzellen überleben
nicht. Die meisten Keimzellen sind also mutationsbedingt letal!!!
Beim Menschen sind 50 % der befruchteten Eizellen defekt und gehen deshalb
vor oder während der Nidation zu Grunde!
› unbemerkte Schwangerschaften
Experimentalrate
Die Spontanrate wird künstlich stark erhöht durch mutagene Agenzien:
- Strahlen
- Chemikalien
- Temperaturschocks
Strahlengenetik
1927: Müller: Nachweis, dass Röntgenstrahlung bei Drosophila
melanogaster Mutationen auslösen
1927: Stadler: Nachweis, dass Röntgenstrahlung bei Mais Mutationen
auslösen
Proportionalität der Wirkung
Der Nachweis erfolgte durch Induktion von rezessiven Letalfaktoren auf
dem Drosophila-X-Chromosom.
Mutationsauslösung im X-Chromosom von Drosophila durch ionisierende
Strahlung
Abbildung: Frequenz rezessiver Letalmutationen nach Bestrahlung von reifen
Spermien von Drosophila mit Röntgenstrahlen. Ordinate: Frequenz rezessiver
Letalmutationen pro untersuchtem X-Chromosom (in %). Abszisse: Strahlendosis
in Gray ( 1Gy = 100 rad)
Optimisten: bei geringen Mengen von Strahlung keine Wirkung
Pessimisten: auch bei geringen Mengen von Strahlung schon starkes Ansteigen
von Neumutationen
Man ist sich nicht einig, welche Kurve (Optimisten oder Pessimisten) die
Richtige ist.
› Ein Kompromiss ist die Gerade!
Wichtig: Es gibt keine unschädliche Dosis! Jede Dosis besitzt einen
gewissen Gefahrenwert! Es gibt nur „zugelassene Werte“. Ein
Problem ist auch das Erfassen von niedrigen Dosen.
Zeitfaktor - Unabhängigkeit
Zeitfaktor-Unabhängigkeit (Röntgen-Rate):
Dies gilt für Drosophila melanogaster. Für Säuger ist es
nur beschränkt gültig.
Die Mutationsrate von Drosophila (gilt für den Menschen nur höchst
bedingt) ist stark abhängig von der Dosis der Strahlung, aber weniger
von der Zeit.
Im Allgemeinen sind die Schäden geringer bei Fraktionierung
der Strahlendosis, d. h. Strahlung über längere Zeit, dafür
aber mit einer geringeren Dosis.
Begründung:
- Überleben der Reparaturenzyme bei schwachen Dosen
- Freisetzung von Radikalen bei starken Dosen
Achtung: Es ist aber nichts desto trotz keine unterschwellige Dosis für
Mutationsauslösung nachweisbar!
Beispiel:
- 400 r in kürzester Zeit auf die Hand: Schwerste Verbrennungen an
der Hand
- 400 r über Wochen verteilt auf die Hand (z. B. Tumorbestrahlung):
Restitution möglich
Strahlen wirken sich besonders auf Zellen in der Teilungsphase aus, also
auf Embryonalzellen und auf Keimzellen.
Letaldosis für somatischen Tod (artspezifisch):
Mensch, Maus
Drosophila
Paramaecium
Hefe
|
500 - 600r
50'000 - 80‘000r
100‘000r
150‘000r |
Einige Erklärungsversuche (keiner ist befriedigend):
- Warmblüter sind viel empfindlicher als Kaltblüter, weil sie
eine erhöhte Stoffwechselaktivität haben. Je ausgeprägter
der Stoffwechsel, desto empfindlicher ist er.
- Je komplexer ein Organismus, desto empfindlicher und anfälliger
wird er
Quanten (Photonen):
Für die Gefährlichkeit von Strahlen ist nicht ausschlaggebend,
wie energiereich sie sind. Strahlen sind um so gefährlicher, je:
- grösser die Ionisationsdichte ist
- stärker sie anregend wirken
- abhängig von den Molekülverbänden
Mutagener Strahlenbereich
Mutagener Strahlenbereich: Quanten (=Photonen):
Was wirkt mutagen?
- Quanten (=Photonen): Je kurzwelliger Strahlen sind,
desto energiereicher sind sie und desto besser durchdringen sie unsere
Haut. Bei langen Wellenlängen, z. B. Infrarot, gelangen die Strahlen
nur in die äussersten (toten) Hautschichten. Die kurzwelligen (z.
B. Röntgenstrahlen) jedoch dringen tief in das Innere des Körpers
ein und treffen dort lebenswichtige Organe. Sie sind aber nicht zwangsläufig
die gefährlichsten.
Physikalische Einheiten:
- 1 rad (radiation adsorbed dosis)
- 1 Röntgen = 1 rad
- 1 rem (röntgen equivalent man)
- 1 Sievert (Sv) = 100 rem
- 1 mSv = 0.1 rem
- Korpuskularstrahlen
- Ñ-Strahlen ( = He-Kerne)
- Ò-Strahlen ( = schnelle e-) muss man künstlich erzeugen,
existieren nicht natürlich
- Protonen: künstlich erzeugte H+-Kerne
- Neutronen: technisch erzeugt, extrem hart, wenig ionisierend
Zusammenfassung: Mutagen wirken ionisierende Strahlen
(hohe Ionisationsdichte, lösen e- aus Molekülen und zerstören
diese dadurch) und anregende Strahlung (e- in energiereicherem Zustand).
Weniger entscheidend für die Gefährlichkeit ist hingegen die Strahlenstärke.
Unspezifität der Wirkung
Gilt für Strahlen. Sie wirken unspezifisch, d. h.
sie greifen das genetische Material überall gleich stark an. Die Strahlen
treffen zufällig irgendwelche Gene. Sie haben kein spezifisches Mutationsmuster
(mit einigen kleinen Ausnahmen).
Diese Unspezifität gilt nicht für chemische
Mutagenzien. Chemische Mutagenzien wirken sehr oft spezifisch.
So z. B. HNO2 (Salpetrige Säure). Sie induziert die Transformation
von Adenin zu Hypoxanthin. Hypoxanthin hat die gleichen Paarungseigenschaften
wie Guanin:
Vitalitätsspektrum der Mutationen
Von 100 Mutationen treten die Neumutationen in folgendem Verhältnis
auf:
Definition |
Anzahl betroffener Individuen (in %) = Bandbreite an
MutationsratenStreubereich |
Beispiel: Drosophila mel. Chromosom Nr. 2 (in %). Muss
immer im Streubereich liegenKonkretes Beispiel |
Letalfaktor (= 100 % der Träger letal)
Semiletalfaktor (S 50 % der Träger letal)
Subvitalfaktor (< 50 % der Träger letal)
Supervitale |
30 - 60
10 - 30
10 - 40
ca. 1 |
53
19
27
1 |
|
100 |
100 |
- Letalfaktor: Ein Letalfaktor führt in 100 % der Fälle zum
Tod des Individuums vor dem Erreichen der Geschlechtsreife (=Reproduktionsphase).
Das ist wichtig, damit die Mutation bei Dominanz ausstirbt. In der Definition
wurde die Geschlechtsreife und nicht die Geburt angegeben, weil die Geburt
eines Individuums oft schwer zu bestimmen ist (z. B. bei Insekten: Ei
› Larve › Insekt; was gilt als Geburt)!
- dominanter Letalfaktor kann nicht vererbt werden
- ein dominanter Letalfaktor ist nicht züchtbar (stirbt unweigerlich
aus)
- ein rezessiver Letalfaktor kann gezüchtet werden
- Semiletalfaktor: Ein Semiletalfaktor führt bei 50 % der Träger
zum Tod vor dem Erreichen der Geschlechtsreife.
- Subvitalfaktor: Führt in weniger als 50 % der Fälle zum Tod
des Trägers
- Supervitale: Diese Mutationen bringen für den Träger einen
Vorteil. Der Träger ist also den nicht-mutierten Individuen überlegen.
Nur 1 % aller Mutationen sind supervital. Doch dieses eine Prozent ist
verantwortlich für die Evolution. Ohne Supervitale hätte es
keine Evolution gegeben. Die Mutationen mit Vorteilen addieren sich und
die bestangepassten überleben!
Neumutationen sind nicht erwünscht, da nur 1 % von ihnen einen Vorteil
für den Träger bringt. Die restlichen 99 % führen zu einer
Verschlechterung oder gar zum Tod. Trotzdem sind Neumutationen unerlässlich
(Evolution).
Strahlenschutz
Verwendete Einheiten und ihre Bedeutung:
- Aktivität: 1 Becquerel (Bq) = 1 Zerfall / sec
eines Atoms des radioaktiven Stoffes
( = Radioaktivität) (alte Einheit: 1 Curie (Ci) = 3.7 x 1010 Bq)
- Energiedosis: 1 Gray (Gy) = 1000 mGy = 1 Joule / kg
Gewebe
( = absorbierte Dosis) Die von der Strahlung an Materie (z. B. Gewebe)
abgegebene Energie, bezogen auf die Masse des Materials.
(alte Einheit: 1 rad (radiation adsorbed dosis) = 0.01 Gy
- Aequivalentdosis: 1 Sievert (Sv) = 1000 mSv = 1 Joule
/ kg Gewebe x Wichtungsfaktor wR (dieser ist für verschiedene Strahlen
verschieden).
Die Aequivalentdosis in einem bestrahlten Gewebe erhält man aus der
Energiedosis durch Multiplikation mit dem Wichtungsfaktor für die
betreffende Strahlenart. Dieser berücksichtigt die unterschiedliche
biologische Wirkung der verschiedenen Strahlenarten ( für R, Ó
und Ò: Q =1)
(alte Einheit: 1 rem ( röntgen equivalent man) = 0.01 Sv
- Effektive Dosis: Sievert (Sv) = Summation der gewichteten
Aequivalentdosen der einzelnen bestrahlten Gewebe und Organe.
Strahlenenempfindlichkeit bezüglich Krebsrisiko und Mutationen (Wichtungsfaktor,
wR):
0.2 Gonaden (20 %; nur sie zählen für die Vererbung der Mutation)
0.12 Dickdarm, Lunge, rotes Knochenmark, Magen (12 %)
0.05 Brust, Leber, Blase, Speiseröhre, Schilddrüse, etc. (5
%)
0.01 Haut, Knochenmark (1 %)
In der Schweiz beträgt die tolerierte Dosis pro Generation 10 rem
(davon sind für die Medizin 5 rem „reserviert“.
1 Röntgenaufnahme: 5 mrem
1 Schirmbild: 50 mrem
1 Durchleuchten: 500 mrem
Ca. ¾ der Strahlenbelastung bei uns ist natürlichen Ursprunges!!
Die totale mittlere Jahresdosis betrug 1998 ca. 4 mSv.
Mittlere jährliche Strahlenbelastung mit Variationsbreiten
für die Schweizer Bevölkerung 1998
Radon ist natürlichen Ursprungs, macht aber einen grossen Teil unserer
Strahlenbelastung aus. In der Schweiz schätzt man, dass 6 % der Lungenkrebstodesfälle
auf Radon zurückzuführen sind.
Risikoabschätzung und maximal zulässige, künstliche
Strahlenbelastung
- Werte gemäss Empfehlung ICRP (Int. Strahlenschutzkommission, 1991
- Schweizerische Strahlenschutzverordnung (StSV 1994)
Risikoabschätzung für die Gesamtbevölkerung:
Einigen wenigen Leuten wird eine Dosis von 20 mSv pro Jahr zugemutet. Sollte
die Anzahl der Mutationen in der Bevölkerung steigen, wird diese Zahl
herabgesetzt.
Mutagene Agenzien
1. Strahlen
2. Chemikalien
Chemische Mutagene haben wahrscheinlich stärkere Auswirkungen auf
die Mutationsrate als Strahlen.
Chemikalien als mutagene Agenzien wurden erstmals 1942 von Ch. Auerbach
mit Senfgas (Yperit) bewiesen. Er löste mit Yperit Mutationen aus bei
Drosophila mel.
Weitere mutagene Substanzen sind:
- Urethan
- HNO2
- Formaldehyd
- Diethylsulfat
3. Alter
Zunehmendes Alter erhöht die Wahrscheinlichkeit von Mutationen. Beim
Menschen ist die Mutationsrate bei hohem Vateralter erhöht für:
- Chondrodystrophie
- Hämophilie Retinoblastem (Augenkrebs)
- Harfen’s Syndrom
Dies gilt nur für das Männchen. Grund: Spermien eines alten Mannes
haben schon sehr viel mehr Teilungen durchgemacht als die eines jungen Mannes,
da sich die Spermien seit der Pubertät fortlaufend teilen. Beim Weibchen
ist es anders. Die Oocyten einer jungen Frau haben sich gleich viele male
geteilt wie die einer alten Frau.
Drosophila mel.: Ein 20 Tage altes Dros. Männchen zeigt doppelt so
viele Neumutationen als ein frisch geschlüpftes Weibchen.
Temperatur und Mutation
Es konnte bei Drosophila-X-Chromosomen gezeigt werden, dass eine Temperaturerhöhung
um 10° C die Mutationsrate 2-3 x erhöht!
Ausserdem wirken Kälte- und Hitzeschocks mutagen. Die Werte liegen
aber an der Schwelle der Nachweisbarkeit (z. B. konnte die Schädlichkeit
der Sauna bisher noch nie ernsthaft nachgewiesen werden).
Temperatur und Temperaturschocks wirken also (wenn auch schwach) mutagen.
Reparatur
Bei allen Reparaturmechanismen ist die Doppelstrangstruktur der DNA sehr
wichtig. Dank der Doppelstrangstruktur können Defekte in einem Strang
repariert werden. Dabei wird der zweite, intakte Strang als Vorlage verwendet.
Ausserdem macht die Doppelstrangstruktur den DNA-Faden stabiler. Wenn er
an einer Stelle bricht, hält der zweite Faden ihn noch zusammen (solche
Ausfälle werden enzymatisch repariert).
- Defekt nur in einem Strang (sehr häufig)
- 1-Strang-Bruch
- Basenmodifikation
- Basendeletion
- Bildung von Dimeren in einem Strang (z. B. T T)
- Falsche Paarung der Basen ( = miss matching)
Bei all diesen Gendefekten wird der intakte Partnerstrang als Matrize
für die Reparatur verwendet.
- Defekt in beiden Strängen (ziemlich selten)
- Bruch in beiden Strängen ( = Doppelstrangbruch), das Molekül
fällt auseinander
- Beide komplementären Basen eines Paares mutieren
- „cross - linking“ = kovalente Bindung zwischen
beiden Strängen. Normalerweise sind die beiden Stränge nur
durch eine schwache H-Brücke gebunden. Durch Mutation kann nun
an Stelle einer schwachen H-Brücke eine starke kovalente Bindung
entstehen. Die Reparaturenzyme können die beiden Stränge
nicht mehr trennen.
Doppelstrangbrüche sind meist Zell-letal, das heisst sie führen
zum Tod der Zelle, da sie nicht repariert werden können. Da es sich
im Normalfall nur um eine von Milliarden Zellen handelt, wird dieser Zelltod
von uns gar nicht wahrgenommen. Auch nicht, wenn es sich um einen Doppelstrangbruch
in Keimzellen handelt. Diese Zellen sterben, bevor sie sich mutagen auswirken
können.
Defekte in einem Strang sind deshalb schlimmer. Der Defekt wirkt nicht zell-letal.
Wenn es zu einem Reparaturdefekt kommt, wird er weitervererbt!!
Die Reparatur der DNA ist ein äusserst effizienter Mechanismus. Weniger
als 1 von 1000 Basensubstitutionen oder -deletionen führen zu
einer Mutation. Das sind weniger als eine Promille.
Das menschliche Genom hat n = 3 x 109 Basenpaare / haploides Genom. Das
entspricht ca. 1 m DNA in 23 Chromosomen.
Die geschätzte Fehlerrate für DNA-Replikationen: ˜ 10-10
Mutationen pro Basenpaar / Zellgeneration. Das sind nur 0.3 Mutationen pro
Zellzyklus (von 3 Replikationen des ganzen Körpers gibt es nur einen
Fehler.
Vergleichsbeispiel: Wir stellen uns 1.2 Mio. Buchseiten
mit 2500 Buchstaben pro Seite vor. Das entspricht 3000 Büchern mit
je 400 Seiten (ca. 4 cm dick). Wenn wir die Bücher in einer Reihe aufstellen
würden, gäbe das eine Bücherreihe von 120 m.
Wenn wir nun alle diese Bücher abschreiben würden, dürften
wir nicht einmal ganz einen Fehler pro Abschrift machen (pro dreimal Abschreiben
einen Fehler!!), wenn wir die Genauigkeit der DNA-Replikation erreichen
wollten.
Ohne effiziente Reparaturmechanismen wäre Leben nicht möglich.
Alle Lebewesen schützen sich mit aktiven Reparaturmechanismen (so hat
z. B. nur schon Hefe mehr als 50 verschiedene Gene mit Reparaturfunktion).
Nur gerade eine Promille der genetischen Fehler kann nicht repariert werden.
Reparaturmechanismen
2 benachbarte Basen (Thymidin) können durch UV - Licht so angeregt
werden, dass 2 kovalente Bindungen entstehen:
1. Photoreaktivierung
In Bakterien, niederen Eukaryonten, im Säuger nicht nachweisbar.
Polymerase: schneidet die kovalente T - T - Bindung wieder
auseinander. Somit ist der Schaden behoben. Dieser Vorgang findet in Gegenwart
von Licht mit 310 - 400 nm statt (der blaue Lichtbereich „repariert“
also; Ultraviolett verursacht den Schaden).
2. Excsionsreparatur
Läuft in 4 Schritten ab:
- Spaltung in der Nähe von T T
- Excision von T T (der Fehlerteil wird entfernt)
- Einsetzen des fehlenden Teils, dabei dient der Partnerstrang als Matrize
(Vorlage)
- Lisation: Der Bruch wird gekittet (Verknüpfung)
3. Postreplikationsreparatur
Die Postreplikationsreparatur erfolgt erst nach der DNA-Replikation, wobei
der mutierte Strang durch einen neusynthetisierten Strang ersetzt wird.
Der alte Strang dient als Matrize.
Beispiel Mensch:
Xeroderma pigmentosum
Die Ursache der Krankheit ist UV-Licht und sie ist oft krebsartig. Es entstehen
braune Flecken auf der Haut (wucherartig). Das Gen ist autosomal rezessiv.
Der Auslöser sind Enzymdefekte an Enzymen, welche an der Reparatur
des Gens beteiligt sein sollten. Der T - T - Dimer kann nicht
mehr entfernt werden. Wenn das Enzym fehlt, kann seine Funktion nicht mehr
ausgeführt werden.
Die Krankheit ist polygen bedingt (d. h. durch mehrere Gene). Es kommen
bei der Reparatur dieses Defektes mindestens 9 verschiedene Enzyme zum Zuge.
Das heisst, es sind mindestens 9 verschiedene Gene beteiligt.
Ursachen der spontanen Mutabilität
Es gibt äussere und innere Ursachen:
- Äussere Einflüsse
- Strahlung:
- terrestrische
- kosmische
- körpereigene
- kurzwellige: UV (wirkt bei Bakterien mutagen, nicht aber beim
Menschen), Röntgen, Radon, usw.
- mutagen e Chemikalien
- hohe Temperaturen, Temperaturschocks
- Innere Einfüsse
- mutagene Metaboliten aus dem Stoffwechsel
- statistische überschwellige Temperaturschwingungen in Molekülverbänden
Spontane Depurimierung von A und G
Spontande Deaminierung von C und G
- statistische Replikationsfehler (Altersfaktor)
- „hüpfende“ Gene (jumping genes), die an neue Orte
springen und dort meist andere
Gene inaktivieren oder verstärken
- Instabilität der Materie
- Retrovieren
- Mutatorgene (z. B. ein spezielles Darmkrebsgen)
Mutationen wichtig für Evolution:
Nachteile der Neumutationen: Letalität
Vorteile der Neumutationen: Evolution
Es herrscht ein labiles Gleichgewicht zwischen der Anzahl der Neumutationen
und der Elimination durch Letalfaktoren.
- Da nur ca. eine Promille der Neumutationen nicht schädlich sind,
darf es nicht zu viele Neumutationen geben, da sonst durch Letalfaktoren
die Gefahr besteht, dass die Spezies ausstirbt.
- Trotzdem braucht es Neumutationen, da sonst keine evolutive Weiterentwicklung
möglich ist. Weiter könnte sich eine Spezies auch nicht an ändernde
Umweltbedingungen (z. B. eine Eiszeit) anpassen. Auch das würde im
Laufe der Zeit zum Aussterben der Spezies führen, das sich die Umweltbedingungen
laufend ändern.
Das ergibt ein lebenswichtiges Spannungsfeld! |